Diebesgeflüster - Band 3
macht.«
»Natürlich«, flüsterte der Mann. Seine Augen klebten noch einen Moment an Ada, die plötzlich zu lachen begann – ein Lachen, das man wohl von einem Besessenen erwartet hätte –, dann rannte er. So schnell ihn seine Füße trugen, entfernte er sich von uns.
»Das war knapp«, flüsterte Adalgiso.
»Das war genial«, entgegnete Fabrizio und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter, während er mit der Armbrust wieder in den leeren Gang zielte.
Ich fühlte mich trotzdem wie ein Schwerverbrecher. Lügen waren Sünden. Und meine Lügen musste man glauben – ob man wollte oder nicht. Das machte die Sache nicht besser, nur mein schlechtes Gewissen machte sich stärker bemerkbar. Ich tat es nicht gerne.
Ada führte uns weiter.
Wir schwiegen, weil wir alle angespannt waren. Wir hörten und rochen wie Hunde, ob jemand auf dem Weg zu uns war. Die Härchen an meinem Körper hatten sich aufgestellt, um jeden möglichen Luftzug wahrzunehmen. Doch da war nichts. Kein Luftzug, kein Geräusch, das von einem Fremden verursacht wurde. Nichts.
Und als ich nach vorne zu Ada blickte, wusste ich auch, weshalb. Wir standen in einer Sackgasse. Für einen winzigen Moment fragte ich mich, ob Ada sich verlaufen hätte, doch dann spannte Nuccio seine Muskeln an und rammte die Axt gegen die Wand vor uns.
Adalgiso Tozzi
Das gesamte Erdreich wurde von dem Schlag erschüttert. Die Wände erzitterten und Steine fielen zu Boden. Ich befürchtete, die Tunnel würden einstürzen, als mich einzelne Felsbrocken auf die Erde warfen. Nuccio war der Einzige, der noch stand. Als wären die Steinchen auf seinem Hemd bloß Fliegen, fegte er sie mit einer schnellen Handbewegung fort.
Nuccio ließ die Axt noch zwei weitere Mal gegen die Mauer krachen, dann warf er das Werkzeug weg, griff nach den Mauerresten und zog sie auf den Gang.
Zitternd hatte ich meine Hände auf die Ohren gelegt. Bei dem Lärm mussten alle Menschen in Rom aus ihren Betten gefallen sein. Ich blinzelte. Meine Fackel war ausgegangen. Ich hatte sie fallen und der Staub der Steine hatte sie erlischen lassen.
»Beeilt euch!«, flüsterte Fabrizio – als hätte er Angst, erwischt zu werden.
Es war lachhaft, nach diesem Lärm zu flüstern. Doch ich stand trotzdem auf, um zu sehen, was sich hinter der Mauer befand.
Es war ein quadratischer Raum – höher als die Tunnel, durch die wir seit einer Ewigkeit irrten. prächtige Säulen reichten von der Erde bis zur Decke. Ihre Kapitelle waren mit den schönsten Blumenranken verziert, die ich jemals gesehen hatte. Diese kleine Halle musste älter sein als der Palast des Papstes Julius II. Der Baustil war ein vollkommen anderer. Der Boden war gefliest und man sah nicht eine Fußspur darauf, als hätte man peinlichst genau darauf geachtet, diesen Raum nicht zu beschmutzen.
Auch die anderen konnten ihre Münder kaum schließen. Wir traten ein und drehten uns um die eigene Achse – so oft wir konnten, bis die Welt um uns herum mit uns im Kreis tanzte.
»Wir sollten den Gral nehmen und hier verschwinden.« Constantino brachte uns wieder zur Vernunft.
Der Gral … wo war er? War er doch nur ein erfundenes Ammenmärchen?
Der Raum war leer.
Es gab keine Türen. Wir standen in einer weiteren Sackgasse.
»Hört ihr das?«, fragte Elisa.
Natürlich hörten wir es nicht. Ich war mir immer noch nicht sicher, ob sie sich manche Geräusche nur einbildete. Die hässliche Nonnenkutte verbarg ihren schönen Körper. Nun konnte man nur noch die braunen Rehaugen sehen, die einen ernst entgegen strahlten.
»Was hörst du?« Fabrizio wirkte angespannt.
Ihm stand die selbe Frage ins Gesicht geschrieben wie uns allen. Wo war der Heilige Gral? Vielleicht waren Fabrizios Pläne doch nicht so gut, wie alle behaupteten.
»Es klickt.«
»Es klickt?« Nachdenklich setzte sich Fabrizio auf den Boden. »Ada, du hast den Gral gesehen. Wo ist er?«
Ada lief in die Mitte des Raums und blieb bewegungslos und sprachlos stehen.
»Ada?«, sagte Fabrizio mit Nachdruck.
Ada blieb stumm.
»Fabrizio, wir müssen uns beeilen! Der Lärm hat bestimmt die Stadtbewohner geweckt.« Constantino schielte besorgt nach draußen. Seine Arme umklammerten seinen mageren Körper. Sein Gesicht war grimmig, während seine Gedanken flogen und sich Ausreden zurecht legte – das sah man ihm an. Er machte sich bereit, um zu lügen.
Seine Fähigkeit ängstigte mich am meisten. Sie machte ihn zu einer unanfechtbaren Person. Was immer geschehen würde, Constantino
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