Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held
hatte. Der Schatten der Zauberei schien dunkler und
noch erdrückender zu werden. Er beeinträchtigte ihre
Gemütsverfassung und ihre Denkfähigkeit, ihren Schlaf und
ihr tägliches Leben und so auch ihre Beziehung.
Drei Tage später kam Mignureal völlig verschreckt nach
Hause. Sie war sicher, bei einem Kunden einen gewaltsamen Tod gesehen zu haben, was kein angenehmes Erlebnis gewesen war.
Nachdem Hanse sie eine Zeitlang getröstet und lange gestreichelt
hatte, fragte er sie nach dem Namen des Mannes.
Sie wußte sofort, warum er gefragt hatte. »Es ist
keiner von den Namen auf der Liste«, sagte sie gereizt. »Er
heißt Ganther.«
»Ganther«, wiederholte Hanse und drehte die Satteltasche
auf den Kopf.
Acht silberne Münzen fielen klimpernd heraus. Er legte sie
ordentlich in eine Reihe, tröstete Mignureal noch ein
bißchen und schlug vor, der Grünen Gans einen Besuch
abzustatten. Mignureal wurde wieder munter, blinzelte aus feuchten
Augen und zeigte ihm das tapferste Lächeln, das sie zustande
brachte. Nachdem sie die Münzen wieder in die Tasche geworfen
hatten, verließen sie die Wohnung und die Katzen, die so taten,
als seien sie junge Kätzchen, und Herumpurzeln spielten.
Erst als Mignureal am nächsten Morgen gegangen war,
öffnete Hanse die Tasche. Sie enthielt sieben Kaisermünzen.
Das war genug für ihn, um sich sofort hinsetzen zu
müssen.
Er saß lange Zeit da und dachte nach, bevor er eine dieser
Münzen in seinem Geldbeutel verstaute. Dann griff er nach seinem
Hut und ging.
Er war schon auf dem Weg, als ihm der Gedanke kam, daß er
wahrscheinlich nicht wieder zu Gaise gehen sollte. In seinem Kopf
lief ein imaginäres Gespräch ab.
»Ein Mann namens Ganther? Aye, er wurde letzte Nacht
erwürgt, vergiftet, gehängt und in kleine Stückchen
gehauen. Was weißt du darüber, Hanse?«
»Nichts.«
»Wie kommt es dann, daß du hier erscheinst und
fragst, ob gestern jemand gestorben ist, der Ganther
heißt?«
Ȁh, nun ja, Mignureal hat ihm gestern die Zukunft
gelesen, und… äh, sie glaubte, einen gewaltsamen Tod in
seiner, äh, Zukunft gesehen zu haben.«
»Hmm. Das ist jetzt schon das zweite Mal, daß so
etwas passiert. Hanse, es tut mir leid, aber ich denke, wir sollten
jetzt besser zu Mignureal gehen und ihr ein paar genaue Fragen
stellen. Und vielleicht will auch der VZF mit ihr
sprechen.«
»Warum?«
»Nun, da ist einmal das Lesen der Zukunft und dann sind da
Ursache und Wirkung. Ich bin sicher, daß das nette Mädchen
völlig unschuldig ist, aber…«
Nein. Er würde nicht zu Gaise gehen. Der Druck, der auf
Mignureal und mir lastet, ist jetzt schon schlimm genug, ohne
daß Gaise auch noch mißtrauisch wird und vielleicht
Mignureal verantwortlich macht. Nein. Ich werde mir einfach etwas
anderes überlegen.
Es war die falsche Tageszeit und auch nicht Hanses Art, aber er
betrat die nächste Bierstube. Er bestellte die kleinste Menge
Bier, die ausgeschenkt wurde, und hatte sie noch nicht ausgetrunken,
als er aufgab und ging. Niemand in der Bierstube hatte geredet. Er
betrat eine andere, und das einzige, was er dabei in Erfahrung
brachte, war, daß er es sich wohl nie angewöhnen
würde, morgens Bier zu trinken. Vor der dritten Kneipe blieb er
eine Weile stehen, um seinen energischsten Gesichtsausdruck
aufzusetzen, bevor er hineinwankte und Tee bestellte.
Niemand verlor ein Wort darüber. Die vier Männer am
Tisch in der Nähe der Tür unterhielten sich über den
Burschen, der letzte Nacht aus dem Fenster seiner Wohnung im dritten
Stock gefallen war und sein Gehirn mehrere Fuß die Mauer hoch
verspritzt hatte. Unheimlich. Wahrscheinlich betrunken, sagte einer
und schüttelte tief über den Tisch gebeugt den Kopf.
»Die Leute sollten Regeln beim Trinken beachten. Niemals
alleine und niemals nachts!«
»Das ist der dämlichste flammende Vorschlag, den ich
jemals gehört habe, Stumpy. Was ein Mann nicht tun sollte, ist
tagsüber trinken! Das würde ich auch nicht tun, wenn ich
nur nicht so ein schwacher Haufen Pferdemist wäre!«
»Meine Regel ist es, nie vor dem Frühstück zu
trinken«, sagte der dritte in der Runde. »Nie!«
Bei Ils’ Augäpfeln, dachte Hanse, ich habe
überhaupt noch nichts gegessen!
Er hatte fast schon die Geduld verloren und wollte sich gerade
umdrehen, um nach dem Namen des Toten zu fragen, als Stumpy genau das
tat.
»Wer weiß?« sagte einer der anderen.
Der Besitzer der Kneipe sah von den Krügen auf, die er
ordnete, und rief: »Ganther! Er hieß
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