Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held
Mensch plötzlich tot umfällt. Du verstehst, wenn du tot
bist, hat dein Herz offensichtlich versagt! Also ist anscheinend
wirklich vorgestern jemand gestorben. Aber er ist es nicht, nach dem
du gefragt hast, hmm?«
Hanse schüttelte den Kopf und gab schnell eine halbwahre
Geschichte zum besten. »Wer weiß? Mignureal ist eine
S’danzo. Sie hat das Gesicht, weißt du, und
sie… sie hatte so eine Ahnung. Ich werde sie fragen. Sie ist in
dem S’danzostand auf dem Basar, und vielleicht ist Jumnis
dagewesen. Um sich die Zukunft voraussagen zu lassen, verstehst du?
Wie alt war der Bursche?«
»Oh, fünfunddreißig, sechsunddreißig.
Gebürtiger Firaqaner. Verdiente auch gut mit seiner Kneipe.
Reich, ein fettes Konto bei Tethras. Jetzt müssen wir einen
seiner Verwandten finden.«
Hanse brachte ein Lächeln zustande. »Gut, sag mir
Bescheid, wenn ihr keinen findet, und ich werde versuchen, euch davon
zu überzeugen, daß ich sein lange verschollener
jüngerer Bruder bin.«
Gaise lachte und erzählte ihm einen Witz, der ihm gerade
einfiel, und das war dann alles. Hanse berichtete Mignureal, was er
erfahren hatte. Es bewies nichts. Ein Mann war gestorben, und eine
Münze fehlte. Das waren kaum Ursache und Wirkung, und soweit sie
wußten, hatten weder Hanse noch Mignureal Jumnis auch nur
einmal gesehen.
Doch zwei Tage später erfuhr Hanse von Tethras, daß
Jumnis und Lallias seit langer Zeit befreundet gewesen waren. Soweit
es Hanse betraf, hatte er seinen Beweis: Auch Jumnis’ Leben war
mit den merkwürdigen Münzen verknüpft. Wie Lallias gab
es auch Jumnis nicht mehr, und dasselbe galt für seine
Münze.
»Ich würde sagen, das steht damit fest«, sagte
Hanse zu Mignureal.
Sie hatten in der Grünen Gans gegessen, weil sie es in ihrer
Wohnung nicht aushielten. Hanse trank einen zweiten Krug Bier, was
ungewöhnlich war. Mignureal nippte wieder an dem gleichen Wein,
den sie damals bestellt hatte, als sie angekommen waren. Chiri hatte
ihn ihr stolz in einem hübschen Pokal aus blauem Glas gebracht.
Chondey hatte Mignureals entzückten Blick mit einem Lächeln
und Winken erwidert.
»Wir hatten früher schon angenommen, daß die
Münzen etwas mit Menschenleben zu tun hätten, Mignue«,
fuhr Hanse fort. »Mit Firaqanern. Wir hatten Angst, sie
könnten auch etwas mit mir zu tun haben. Weißt du noch,
daß du befürchtet hast, es würde jedesmal eine
Münze verschwinden, wenn ich jemanden tötete? Nun, ich
hatte nichts mit Lallias’ Tod zu tun, wenn wir auch zusammen
waren, als es geschah. Man könnte allerdings einwenden,
daß er erst gar nicht an diesem Ort gewesen wäre und nicht
einem durchgehenden Pferd im Wege gestanden hätte, wenn er mich
nicht zu Horse hätte bringen wollen. Oh, ich weiß,
daß du nie davon gesprochen hast, Mignue, aber ich habe
trotzdem daran gedacht. Aber dann dieser Jumnis! Wir haben beide
weder von ihm, noch von seiner Bierstube und nicht einmal von dieser
Straße gewußt. Aber er stand mit Lallias in Verbindung,
und er ist gestorben, und eine Münze ist verschwunden.«
Er lehnte sich zurück und wirkte beinahe stolz. Fast, denn
eigentlich war das überhaupt keine Erklärung, und sie
wußten es beide.
»Es gibt da einen anderen Aspekt, der mir gefällt«,
sagte Mignureal und blickte in ihr dunkelblaues Glas. »Es
muß kein gewaltsamer Tod sein. Du hast gesagt, Jumnis
hätte keine Verletzung gehabt. Er ist einen natürlichen Tod
gestorben.« Sie schluckte, und ihre Miene wirkte etwas
gespannter. »Nur… der Tod. Das ist die Verbindung. Der
Tod.«
Der Schatten der Zauberei schwebte immer noch dunkel und
bedrohlich über ihnen. Er beeinflußte ihre Gedanken, ihr
Benehmen und so auch ihre Beziehung und den Schlaf. Es war ein
erdrückendes Gewicht, das auf ihren Leben lastete.
Am nächsten Tag beschwerten sich einige Leute aus Neustadt,
und ein paar Rote trafen ein und stellten ein paar Nachforschungen
an. Die Anwohner hatten recht, was den Geruch und das Wasser betraf.
Die Leiche schien schon seit drei Tagen unten im Brunnen zu liegen,
und da ihr Kopf bis zur Unkenntlichkeit zerschmettert war, war der
Mann mit Sicherheit eines gewaltsamen Todes gestorben.
Also hätte die Münze auch für ihn und nicht
für Jumnis stehen können.
Das einzige, was man an diesem Vorfall als befriedigend für
Hanse und Mignureal hätte bezeichnen können, war, daß
sie zumindest sicher sein konnten, daß Hanse überhaupt
nichts mit dem Tod des Mannes – eines gewaltsamen Todes –
zu tun gehabt
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