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Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Titel: Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Offutt
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Sie
wußte, wie sehr er Zauberei haßte; sie raubte ihm die
Kontrolle über sein Leben, und diese Kontrolle war etwas, das er
unbedingt brauchte.
    Ihr jungenhafter Geliebter brauchte Trost, Entspannung und
liebevolle Behandlung. In ihrer Wohnung, die nur zu häufig eher
ein Spannungsherd als ein Liebesnest war, gab sich Mignureal
große Mühe.
    Hanse verschloß sich ihren Bemühungen, und so biß
sie sich nur heftig auf die Lippe, als er in seiner schwarzen,
enganliegenden Kleidung aus dem Fenster stieg und in der Nacht
untertauchte.
    Manchmal wird mir klar, was für ein unreifes Mädchen
ich bin, dachte Mignureal und nahm die gescheckte Katze auf den
Arm. Es tut weh zu erkennen, daß er so ein erfahrener Mann
von Welt ist, während ich so ein dummes Mädchen bin.
Ich mache ihn wütend, weil ich nicht weiß, wie ich mich
verhalten soll, und deshalb benehme ich mich wie eine Mischung aus
meiner Mutter, mir und einem… dummen Mädchen. Und doch ist
er auf der anderen Seite so ein Junge! Manchmal bringt er mich
dazu, daß ich mir alt vorkomme, mehr wie seine Mutter,
als wie seine… seine… Geliebte.
    O Hanse, Hanse, warum mußt du nur mit solchen tiefen
Bedürfnissen gestraft sein?
    Warum können wir nicht mehr Mann und Frau sein?!
     
    In seiner nachtschwarzen Kleidung durchstreifte Nachtschatten
Firaqa, und niemand wußte es. Nachtschatten schlüpfte
sogar in den Tempel, den Haupttempel der Flamme, und niemand
wußte es. Er und seine mädchenhafte Frau brauchten kein
Geld, aber das war auch nicht der Grund, warum Nachtschatten fortging
und stahl. Es war sein Trost, seine Entspannung und Therapie. Das war
es, was er brauchte. Er konzentrierte sich völlig auf das, was
er tat, und das war seine Flucht und ein Zipfel des Glückes, die
Therapie, die er nötig hatte. Seine Konzentration ließ
keinen Augenblick lang nach. Er dachte nicht für eine Sekunde an
irgend etwas anderes, und darin lag die Therapie: in der totalen
Flucht.
    Nachtschatten verschmolz mit den Schatten von Firaqa und tauchte
wieder daraus hervor, und niemand sah ihn. Außer dem Mann, der
in der Straße hinter der Springenden Ziege seine Blase
entleerte.
    Als er diesmal zurückkam, lag Mignureal nicht im Bett und
hatte ihm nicht den Rücken zugekehrt. Sie war wach und saß
in einem Stuhl mit Blick auf das Fenster. In der kleinen, wie zwei
hohle Frauenhände geformten Messinglampe, die er gekauft hatte,
brannte flackernd kostbares Öl. Regenbogen lag zusammengerollt
in Mignureals Schoß und döste, während sie der Katze
geistesabwesend unablässig über das weiche, vielfarbige
Fell streichelte und aus dem Fenster starrte. Von Zeit zu Zeit, wenn
sie spürte, daß der Schlaf sie zu übermannen drohte,
hatte sie die Nägel tief in ihr Fleisch gegraben.
    Aus der Finsternis der Nacht schlüpfte Nachtschatten durch
das Fenster, leiser als ein Wispern, so daß nicht einmal Wunder
aufwachte, und sah in Mignureals Augen, die ihn nicht nur verletzt,
sondern auch anklagend anblickten.
    Er konnte damit fertig werden, wenn sie ihm den Rücken
zuwandte und nicht mit ihm sprechen wollte. Daß sie wach blieb,
weil sie auf ihn gewartet hatte und ihn jetzt nur stumm anstarrte,
konnte er nicht ertragen. Ihm fehlten die Worte. Er schämte sich
und haßte sich dafür, als er den einarmigen, goldenen
Kerzenhalter aus dem Tempel der Flamme auf den Boden stellte. Es war
ein Triumph gewesen, auf den er stolz war. Der Tempel selbst! Rein
und wieder raus mit seiner Beute, und niemand hatte ihn gesehen oder
gehört, niemand hatte Alarm geschlagen! Und doch konnte er nicht
stolz sein, jetzt nicht. Er schämte sich, und er haßte
sich dafür. Er fühlte sich wie ein kleiner Junge unter dem
strengen Blick seiner Eltern, und das gefiel ihm nicht. Noch weniger
konnte er es ertragen.
    Er konnte nur Hanse sein. Er mußte sich verstellen, und er
tat es, indem er vorgab, wütend zu sein. Er ging steifbeinig zur
Tür, wo er sich noch einmal umdrehte, um Mignureal einen kurzen
Blick zuzuwerfen, bevor er die Wohnung verließ.
    Eine sehr lange Zeit hatte er als Einzelgänger gelebt, von
seinem Stolz und seinen Bedürfnissen getrieben. Er trank auch
nicht, und er war stolz darauf. Allerdings hatte er hin und wieder
doch getrunken, wenn er einem großen Druck ausgesetzt gewesen
war. Heute nacht würde er wieder trinken. Heute nacht ging er,
ohne einen Gedanken an seine Kleidung zu verschwenden, in eine
Kaschemme, und er trank. Niemand sprach ihn an oder näherte sich
dem stillen, dunkel

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