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Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Titel: Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Offutt
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brauchen, um sich wieder von dem
Schock zu erholen, falls ihnen das überhaupt gelingen
sollte.
     
    Als Hanse am nächsten Tag an dem weitflächigen Tempel
vorbeiging, heckte er eine neue Idee aus. Diesmal war es wirklich ein
Plan, um einiges vernünftiger, als Münzen durch ein
geschlossenes Fenster zu werfen und auf ihrem Behälter
herumzuhüpfen. Er eilte zurück zur Wohnung und vergaß
dabei völlig, sich großspurig zu bewegen und einen
gefährlichen Eindruck zu erwecken. Es spielte auch keine Rolle,
er bewegte sich zu schnell, als daß ihm jemand in den Weg
hätte treten können.
    Er verließ die Wohnung wieder mit seinem Mantel, dem
firaqanischen Hut mit der neuen grünen Feder, der rostbraunen
Tunika und schönen neuen Stiefeln, deren Schäfte
umgeschlagen waren. Er gab eine gute Figur ab, als er bedächtig
die Straße entlangschritt. Das einzig Ungewöhnliche war,
daß dieser Geck eine brüchige alte Satteltasche mit sich
trug, die so aussah, als hätte sie die letzte
Überschwemmung nicht überstanden und hätte schon vor
Jahren weggeworfen werden sollen.
    Hanse hatte vor, die verfluchte Tasche mehr als nur wegzuwerfen.
Mit den gleichen bedächtigen Schritten und flatterndem Mantel
stieg er die vielen breiten und weißen Stufen zum Tempel der
Flamme empor. Als er eine Herdwächterin mittleren Alters in
ihrer flammend roten Robe erblickte, verbeugte er sich nicht nur,
sondern riß sich auch den Hut vom Kopf, daß die Feder in
der Luft flatterte. Die Herdwächterin sah ihm wohlgefällig
nach. Sie war von dem jungen Burschen entzückt, der anscheinend
ein Sohn reicher Eltern und so erzogen worden war, daß er die
Flamme und die Hüterinnen ihres Heiligen Herdes verehrte.
    Hanse schritt ohne Hast durch die weiträumige Haupthalle, das
Klicken seiner Stiefelabsätze auf dem Marmor hallte als Echo
zurück. Er fühlte sich herrlich und frohlockte innerlich,
als er sich dem anderen Ende der Halle näherte. Dort erhob sich
eine brennende Flamme aus ihrer Pfanne auf einem treppenförmigen
Podium; Die Ewige Flamme, die der Segen und das Leben von Firaqa
war.
    Als er den streng blickenden Priester sah, den Hüter der
Flamme, der auf den Stufen über den Andächtigen stand, die
sich auf den Boden geworfen hatten, beschloß Hanse, es ihnen
besser gleichzutun. Er warf sich mit wunderschönem Schwung zu
Boden, verharrte dort hundert Herzschläge lang – wobei er
merkte, daß sich sein Pulsschlag immer mehr beschleunigte
– und erhob sich langsam. Er hielt die Tasche ausgestreckt vor
seinem Körper und stieg die Stufen zu dem aus dickem Stein
gemauerten und mit Eisenbändern umgebenen Flammenherd empor. Die
Flammen zuckten gelb und weiß und orangefarben in die
Höhe. Hanse spürte die Hitze, während er
näherkam.
    Der Priester mit dem starren Blick in der gelben Robe hob
gebieterisch eine Hand. Er war hochgewachsen, hatte strähniges
Haar, war etwa vierzig Jahre alt und sah so aus, als würde er
nur alle drei Tage eine kärgliche Mahlzeit zu sich nehmen.
    »Was willst du, junger Herr, daß du der Flamme so nahe
kommst?«
    »Ich will es dir zeigen«, sagte Hanse und öffnete
die Tasche. »Sechs Silbermünzen mit dem Abbild des
verabscheuungswürdigen Kaisers von Ranke, dem Anbeter von
falschen Göttern, die er in fremde Länder bringt! Die
Münzen und die Tasche, in der sie sich befinden, sind meine Gabe
für Die Flamme zum Ruhme von ganz Firaqa. Die reinigende Flamme
wird diese rankanische Tasche verbrennen und die ketzerischen
Münzen in ihr Schmelzen!«
    Eine gute Rede, dachte er, klingt unsinnig genug, um
einen Priester zu beeindrucken!
    Er hob die Tasche höher und schleuderte sie in die riesige
Flammenschüssel. Er hörte ein Keuchen vom Hüter der
Flamme. Hanse blieb einen Moment lang stehen und hoffte, eine neue
und heißere Flamme zu sehen, als die Tasche Feuer fing.
Plötzlich erschauderte er, als ihn ein unheimliches Gefühl
durchzuckte, das mehr als nur unangenehm war. Trotz der Hitze
zitterte er, eilte die Stufen hinunter und aus dem Tempel.
    Im Freien fühlte sich Hanse unglaublich gut. Einmal mehr
spazierte er durch Firaqa. Seine dunklen Augen wanderten von ganz
allein hin und her und untersuchten dieses und jenes Gebäude mit
dem Blick eines Diebes nach einem Zugang für einen
möglichen Einbruch…
    Er schenkte sogar einem stummen Bettler eine Kupfermünze.
    Schließlich kehrte er nur kurz, bevor auch Mignureal
eintraf, in die Wohnung in der Koschenillenstraße zurück.
Er nahm sie in die Arme und

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