Diebin der Nacht
Dockarbeiter namens Sparky, einen Freund von Perkins.
Auf seinem Weg durch die Vordertür überreichte er Ruth diese Notiz.
»Sorgen Sie bitte dafür, dass Sam das noch heute Abend bekommt. Und wenn Sie es ihm geben, sagen Sie ihm bitte, je eher, desto besser.«
Sam würde ganz genau wissen, was Rafe mit »relevante Informationen« meinte. Und Sam kannte außerdem mindestens ein Dutzend Privatdetektive, die schon irgendwann einmal für Beiloch Enterprises gearbeitet hatten. Rafe hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass jeder Mensch irgendwo Dreck am Stecken hat und dass man nur gründlich genug danach suchen muss. Die zwei Möchtegern- Erpresser sollten ruhig kommen - er würde auf sie vorbereitet sein.
26
Die Angst lag Mystere schwer im Magen, als sie sich für ihre erste Gesellschaft anlässlich ihrer Verlobung fertig machte.
Da Mrs. Astor selbst die Gastgeberin war, wusste Mystere nur allzu gut, dass die Festveranstaltung dieses Abends lediglich die erste von vielen sein würde, denn eine Heirat unter den »oberen Vierhundert« wurde immer als ein historisches Ereignis gefeiert, das der Krönung von Königen gleichkam. Wie sie jemals hoffen konnte, ihre Täuschung aufrecht zu erhalten, das ging über ihren Verstand.
Sie hatte über Rafes Motivation nachgedacht, über seinen scheinbaren Eifer, sich dieser gefährlichen Heuchelei hinzugeben, und ihr war ein Verdacht gekommen, der sie zutiefst beunruhigte. Bei der ersten sich ergebenden Gelegenheit wollte sie ihn damit konfrontieren.
Rafe mochten die letzten Konsequenzen einer Schaffung falscher Erwartungen ja egal sein, sie jedoch konnte diese nur schwer ignorieren. Pauls neuerliches Bemühen um sie würde von einer Sekunde auf die andere Umschlägen, sobald die Verlobung aufgelöst werden würde. Und Evan und Baylis waren ihr gegenüber plötzlich auf eine Art und Weise dienstbeflissen geworden, die vermuten ließ, dass auch sie große Erwartungen auf persönlichen Gewinn hegten. Baylis hatte sich sogar seine lächerlichen Newgate- Fransen abrasiert, nachdem er sie für den Kutscher einer großen Dame für unwürdig erklärt hatte.
Lediglich Rose und Hush schienen ihr neustes Dilemma zu verstehen und mitfühlen zu können. Während sie am späten Samstagnachmittag Mysteres dunkles Haar zu einem Nackenknoten zusammenzog, versuchte Rose sie ein wenig zu ermutigen.
»Die Dinge mögen momentan furchtbar erscheinen, Schätzchen, aber du darfst die Hoffnung nicht aufgeben. Wenn wir grübeln, erschaffen wir uns ein Bild der Hölle, das das Schicksal so vielleicht gar nicht für uns vorsieht. Mache dir lediglich Gedanken über das, was du kontrollieren kannst, und lass den lieben Gott den Rest tun.«
Das war ein guter Rat, und er trug dazu bei, Mysteres Laune beträchtlich zu verbessern. Genauso, wie Hushs geflüsterte Bemerkung dazu beitrug, als er ihr an diesem Abend in die Kutsche half.
»Mach dir keine Sorgen, Mystere, niemand wird dir weh tun, solange wir auf dich aufpassen.«
Der Junge schien so zuversichtlich zu sein, dass sie lächeln musste - das erste Mal seit geraumer Zeit.
»Wir?«, wiederholte sie. »Hast du dich mit einem Schutzengel zusammengetan?«
Hush zwinkerte ihr geheimnisvoll zu, als er die Tür zumachte. Es war nur eine kurze Fahrt zur Astor-Residenz, die an der oberen Fifth Avenue lag.
»Denk dran, meine Liebe«, sagte Paul, kurz bevor Baylis das Pferdegespann vor dem Haupteingang zum Stehen brachte, »man erwartet von dir, dass du dich zu Rafe gesellst, sobald du ihn erblickt hast. Dieser Abend ist dazu gedacht, euch beide groß herauszustellen. Caroline hat mir gesagt, dass sie sogar den noch nie dagewesenen Schritt unternommen und Zeitungsleute eingeladen hat. Sogar Lance Streeter wird hier sein und neben den Vanderbilts an seinen Canapés knabbern. Also bitte keinen von deinen sarkastischen Blicken und kein abweisendes Verhalten - sei strahlend und demütig. Dies ist ein Theater, und die Lichter müssen sozusagen in dem Moment angehen, in dem du mit Rafe zusammentriffst.
Er nahm ihre beiden Hände in die seinen und beugte sich zu ihr hinüber, wobei ihr seine scharfen Gesichtszüge im flackernden Gaslicht unheilvoll erschienen. »Der heutige Abend dürfte doch kein Problem sein für dich. Deine Schulung und deine Übung werden dir da schon hindurchhelfen. Lady Moonlight wird es schon bald nicht mehr geben, und heute Abend stehst du nicht unter Druck zu stehlen. Du bist Mystere Rillieux, eine kreolische junge Frau aus New
Weitere Kostenlose Bücher