Diebin der Nacht
Orleans. Und schon bald Mystere Belloch.«
Außer, dachte sie still, als Hush ihr hinaushalf, dass Rafe genau weiß, wer - und was - ich bin. Und da er ein Mann mit geheimen und zerstörerischen Motiven ist, könnte er gut Pauls Theater zu einer Farce machen.
Hunderte von Lampions ließen erkennen, dass viele der Gäste schon angekommen waren und sich in den Gärten, die das Haus auf drei Seiten umgaben, zu Zweier- oder Dreiergrüppchen zusammenfanden. Ein Diener führte sie einen Schieferweg entlang, wobei er einen langsamen Schritt annahm, um sich auf Paul einzustellen.
Trotz Pauls Versicherungen von gerade eben spürte Mystere Nervosität in sich aufkommen. In Gedanken katalogisierte sie die Gäste, die sie erkennen konnte, während sie sich ihnen näherte: Garret und Eugenia Teasdale, James und Lizet Addison, Sylvia Rohr, die Vemons, Antonia Butler mit ihren Eltern, Dr. und Mrs. Sanford und natürlich die Vanderbilt-Schwestem, die zum gesellschaftlichen Inventar gehörten und die Mrs. Astors Einladungen sehr viel mehr schätzten als dies die männlichen Vanderbilts taten.
»Dort ist Trevor Sheridan mit seiner Schwester«, bemerkte Paul, sichtlich beeindruckt, dass die Duchesse of Granville sich herabgelassen hatte zu kommen. »Caroline sagte mir, dass auch der Herzog gekommen wäre, sich aber im Norden auf einer Jagdexpedition befindet.«
Die Duchesse of Granville ... Mystere dachte erneut an die Wappeninsignien, an die sie sich nun törichterweise schon so viele Jahre lang klammerte. Und ein paar flüchtige Momente lang fragte sie sich, ob es nicht doch - trotz der augenscheinlichen Absurdität des Ganzen - irgendwie eine reale Verbindung zwischen dem britischen Adel und zwei Kindern aus den Dubliner Slums geben könnte. Oder - was wahrscheinlicher war - zumindest irgendeinen logischen Grund, warum jemand ihrer Familie auf Briefpapier geschrieben hatte, das das Connacht-Wappen trug.
Sie hatte jedoch keine Zeit mehr, über irgendetwas nachzudenken, denn in dem Moment entdeckte sie Rafe, der in der Nähe des Orchesterpodiums stand und sich angeregt mit Mrs. Astor und Carrie unterhielt.
»Hier lang, Miss«, sagte der Diener ehrerbietig und überraschte sie, indem er ihre Hand nahm und sie drei Marmorstufen hinaufbegleitete, die auf eine breite, gut beleuchtete Gartenterrasse führten.
Wie auf ein Stichwort hin trat Paul zur Seite. Während sie vom Schatten ins Licht trat, wurde Mystere klar, dass dies von Caroline bewusst als der große Auftritt der zukünftigen Braut choreographiert worden war. Das Orchester fing an, Liszts Triumph der Schönheit zu spielen. Das Gewirr von Stimmen und Gelächter flaute abrupt ab und während sie vorbeiging, schienen die Männer Haltung anzunehmen. Sie hatte ihr schönstes Kleid ausgewählt, bodenlang und ärmellos, aus smaragdgrünem Satin mit einer doppelbändigen Schärpe in der Taille. Außer einem Paar blasser Mondsteinohrringe trug sie keinen Schmuck. Sogar Rafe schien bei ihrem ersten Anblick regelrecht überwältigt zu sein.
Als sie sich ihm näherte, schritt er vor, verneigte sich galant und führte seine Lippen zu ihrer Hand. »Liebling, deine Schönheit stellt die Vestalischen Jungfrauen in den Schatten«, begrüßte er sie, während sein Blick sie provozierte.
»Die wurden aber wegen ihrer Keuschheit und nicht wegen ihrer Schönheit auserwählt«, konterte sie sofort.
Ihr gelang ein kaltes, verschlossenes Lächeln, während er ihren Arm in den seinen nahm und sie zu Caroline und Carrie führte.
»Oh, Mystere, ich freue mich ja so für euch beide«, sagte Carrie überschwänglich und mit aufrichtiger Liebenswürdigkeit, während sie sie herzlich umarmte. Anders als ihre clevere und abgestumpfte Mutter, wurde Mystere klar, nahm Carrie diese Verlobung ernst, und ihre sich Illusionen hingebende Überschwänglichkeit schmerzte sie beinahe genauso wie Rafes versteckter Zynismus.
Caroline küsste ihr auf beide Wangen, ein wenig reservierter als sonst, jedoch eine glänzende Fassade aufrechterhaltend. Rafe hatte offensichtlich beschlossen, Mrs. Astor zu zeigen, dass er nicht völlig ihre Marionette war.
»Wie gefällt Ihnen Mysteres Kleid, Caroline?«, fragte er sie mit spitzem Ton. »Stimmen Sie mir nicht zu, dass es in der Tat etwas an ihr hervorhebt?«
Er meinte natürlich genau das Gegenteil, denn Mystere hatte wieder sorgfältig ihre Brüste gewickelt. Aber selbst wenn Mrs. Astor neugierig war, was den tatsächlichen
Brustumfang des Mädchens anging, so
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