Diener der Finsternis
Schutzmaßnahmen für ihn, hätte sie veranlassen können, bei einem solchen Unternehmen mitzumachen. Da sie selbst an übernatürliche Kräfte glaubte, war sie voll düsterer Vorahnungen. Bei jedem leisen Geräusch, das die Stille unterbrach, fuhr sie zusammen.
Richard versuchte gar nicht erst zu schlafen. Er wälzte verschiedene Probleme in seinem Kopf. Fleur hatte in vierzehn Tagen Geburtstag. Ein Geschenk für das Kind zu finden, war leicht, aber bei einem Geschenk für Marie Lou war es etwas anderes, weil sie schon alles hatte, was sie sich wünschen konnte. Richard spielte mit dem Gedanken, ihr ein Rennpferd zu kaufen.
Dann dachte er über Simons Schwierigkeiten nach. Je länger er es sich überlegte, desto weniger konnte er sich dem, was der Herzog offenbar glaubte, anschließen. Er wußte, daß überall in den großen Städten Europas und auch Amerikas Schwarze Magie praktiziert wurde, ja, er hatte sogar einmal davon gehört, daß in einem vornehmen Londoner Viertel eine schwarze Messe zelebriert worden war. Er war jedoch der Ansicht, daß das nur ein Vorwand für ein paar dekadente Intellektuelle sei, um sich vollaufen zu lassen und eine sexuelle Orgie zu veranstalten. Nur paßte derlei absolut nicht zu Simon. Richard fragte sich, ob er es aus Höflichkeit gegen den Herzog fertigbringen würde, bei dieser Posse bis zum Morgengrauen mitzuspielen.
Simons Verstand war wieder klar wie vor der Zeit, in der er unter Mocatas Einfluß gestanden hatte. Er war jedoch so nervös, daß er über ihr seltsames Nachtlager und besonders über Richards Mißvergnügen am liebsten laut gelacht hätte. Natürlich ernüchterte ihn der Gedanke, daß er nur um Haaresbreite entronnen war, sofort. Jetzt, wo er seine Freunde in diese gräßliche Angelegenheit hineingezogen hatte, war sein einziger Wunsch, ihnen so wenig zusätzliche Unannehmlichkeiten wie möglich zu machen und zu diesem Zweck dem Herzog aufs Wort zu gehorchen. Er bemühte sich, nicht an Mocata zu denken, und ertrug seine unbequeme Ruhestätte mit philosophischem Gleichmut.
De Richleau sah aus; als schlafe er. Er lag ganz still, und sein Atem ging gleichmäßig. In Wirklichkeit aber sammelte er seine Kräfte auf eine Weise, die den anderen nicht möglich war. Er vollführte die Joga-Übung, die er als junger Mann gelernt hatte, und stellte sich den ganzen Raum mit allen Menschen darin als blau vor, denn die Schwingungen der blauen Farbe bringen Liebe, Sympathie und geistige Stärke. Trotzdem war er sich seiner Umgebung voll bewußt.
Die Nacht schien endlos zu sein. Draußen hatte es zu regnen begonnen, und die Tropfen fielen vom Dach auf die Terrasse. Richard wurde es immer unbehaglicher. Er überlegte, daß es jetzt etwa halb eins war und daß das Tageslicht sie nicht vor halb sechs oder sechs Uhr erlösen würde. Während er sich hin und her wälzte, wuchs in ihm die Überzeugung, daß ihr Unternehmen sinnlos und lächerlich war. De Richleau mußte das Opfer einer Bande von Scharlatanen geworden sein, und da er viel über Okkultismus gelesen hatte, war seine Phantasie mit ihm durchgegangen. Warum sollte er diesen Unfug auch noch unterstützen? Richard setzte sich plötzlich auf.
»Hört mal«, sagte er, »ich habe es satt. Wir haben nichts zu Mittag und nur sehr wenig zu Abend gegessen, und ich habe den ganzen Tag keinen Drink bekommen. Das ist für mich kein Spaß mehr. Einige von uns haben eine viel zu lebhafte Phantasie, und deshalb machen wir alle uns zu Narren. Wir sollten lieber nach oben gehen. Wenn ihr wirklich Angst habt, Simon könne etwas geschehen, laßt uns vier Betten in einem Zimmer zusammenstellen. Offen gestanden, ich finde, wir benehmen uns im Augenblick wie abergläubische Spinner.«
De Richleau fuhr mit einem Ruck in die Höhe und sah ihn scharf an. Es beginnt, sagte er zu sich selbst. Sie greifen Richard an, weil er der Skeptischste unter uns ist. Laut fragte er: »Du bist also immer noch nicht davon überzeugt, daß Simon wirklich in Gefahr ist, Richard?«
Richards Stimme hatte einen ärgerlichen, aggressiven Klang, was seinem normalen Wesen ganz fremd war. »Dieser ganze Quatsch über Schwarze Magie! Ich werde mir jetzt endlich ein Glas genehmigen und dann zu Bett gehen.«
Marie Lou warf ihm einen erstaunten Blick zu. Richard pflegte sich sonst nie so grob auszudrücken. Es war etwas ganz Außergewöhnliches, daß er seinen besten Freunden gegenüber seine ausgezeichneten Manieren vergaß.
De Richleau studierte Richards Gesicht und
Weitere Kostenlose Bücher