Diener der Finsternis
Rumänien. Viele Leute dort können bestätigen, daß man bei der Öffnung eines verdächtigen Grabes den vor Monaten beerdigten Leichnam noch frisch und ohne eine Spur von Verwesung gefunden hat. Der einzige Unterschied zu dem früheren Aussehen ist, daß die Eckzähne lang und spitz geworden sind. Oft rann dem Vampir noch frisches Blut aus den Mundwinkeln.«
»Das hört sich ja scheußlich an!« rief Rex und schüttelte sich. »De Richleau würde das sicher so erklären, daß die betreffende Person vor ihrem Tod besessen war, und als die eigene Seele den Körper verließ, blieb der böse Geist in seiner Behausung zurück. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, daß dir etwas so Schreckliches passieren kann.«
»Doch, mein Liebster. Das ist es, wovor ich solche Angst habe. Wenn Mocata noch einmal an mich herankommt, wird er mich in Hypnose versetzen, und nachdem er mich gezwungen hat, das auszuführen, was er will, wird er einem Elementargeist erlauben, von meinem Körper Besitz zu ergreifen. Dieses grauenvolle Wesen wird ihn behalten, wenn Mocata mich tötet, und ich werde zu einer Untoten werden.«
»Hör auf! Ich kann es nicht ertragen, daran zu denken.« Rex zog sie fest an sich. »Mocata wird nicht an dich herankommen. Ich bleibe heute nacht bei dir, und morgen heiraten wir. Gleich in der Frühe werden wir eine Sonderlizenz beantragen.«
Neue Hoffnung strahlte in Taniths Augen auf. »Wenn du das wirklich willst, Rex«, flüsterte sie. »Ich glaube, daß deine Liebe und deine Stärke mich retten können. Aber heute nacht darfst du mich nicht für eine Sekunde allein lassen, und wir dürfen ja nicht einschlafen. Horch!«
Die Kirchturmuhr des Dorfes schlug Mitternacht.
Rex lächelte beruhigend. »Natürlich werde ich bei dir bleiben, und wir werden auch nicht schlafen. Einer allein könnte vielleicht einnicken, aber wir werden uns gegenseitig wachhalten. Das wird uns gar nicht schwerfallen, denn ich habe dir noch so viel zu erzählen.«
Sie stand auf und strich ihr Haar zurück. Ihr anmutige Silhouette hob sich vor dem Schein des Feuers ab. »Ja«, stimmte sie zu, »die Nacht wird vorbei sein, ehe wir es noch merken. Ich muß nur schnell nach oben, um meine Nase zu pudern.«
Rex runzelte die Stirn. »Ich denke, ich soll dich nicht für eine Sekunde allein lassen. Mir gefällt es nicht, daß du allein nach oben gehen willst.«
Tanith lachte leise auf. »Aber ich kann dich doch kaum mitnehmen, und ich werde auch gleich wieder da sein.«
Rex nickte. Seine Besorgtheit schwand, als er sie lächelnd, glücklich und normal vor sich stehen sah. Er war überzeugt, daß er es sofort merken würde, wenn Mocata sie aus der Ferne zu beeinflussen versuchte, weil ihre Augen dann einen abwesenden Ausdruck bekamen und ihre Stimme den fanatischen Klang annahm, den er an ihr festgestellt hatte, als sie ihm erklärte, sie müsse unbedingt am Sabbat teilnehmen.
»Gut«, lachte er, »ich gebe dir fünf Minuten. Wenn du dann noch nicht zurück bist, komme ich und hole dich.«
»Mein Liebster!« Sie beugte sich zu ihm und küßte ihn. Dann huschte sie aus dem Zimmer und schloß die Tür leise hinter sich.
Rex lehnte sich zurück und streckte seine langen Beine gegen das Feuer. Zu seinem Erstaunen fühlte er sich überhaupt nicht schläfrig, obwohl er seit der Party in Simons Haus kaum zur Ruhe gekommen war. Seine Hand griff nach der Hüfttasche, um das Zigarettenpäckchen herauszuholen. Aber auf halbem Wege hielt er inne. Es schien ihm zuviel Mühe zu sein. Statt dessen rückte er sich bequemer in den Kissen zurecht.
Im nächsten Augenblick war er fest eingeschlafen.
XXVI
Während Rex vor dem erlöschenden Feuer im Dorfwirtshaus fest schlief, warteten Richard, Marie Lou, der Herzog und Simon innerhalb des Pentagramms auf dem Fußboden der Bibliothek von Cardinals Folly auf den Morgen.
Sie hatten sich mit den Köpfen nach innen gelegt und formten so ein menschliches Kreuz. Aber obwohl sie lange Zeit nicht miteinander sprachen, brachte keiner von ihnen es fertig, einzuschlafen.
Bald genug machte sich trotz der Unterlage aus Bettlaken die Härte des Fußbodens bemerkbar, und das Licht der brennenden Kerzen und der elektrischen Lampen schien rosa durch ihre geschlossenen Augenlider. Außerdem waren sie in unterschiedlichem Maß alle voll gespannter Erwartung.
Marie Lou war elend zumute. Nichts als ihre Zuneigung für Simon und die Aussage des Herzogs, ihre und Richards Gegenwart seien eine große Hilfe bei den
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