Diener der Finsternis
reiterloses Pferd!«
De Richleau stöhnte auf. Es war in der Tat ein Pferd, ein großer schwarzer Hengst, und sein Reiter war unsichtbar, aber er kannte seine schreckliche Bedeutung. Mocata, durch die bisherigen Fehlschläge zur Verzweiflung getrieben, hatte den Versuch, Simon aus ihrer Mitte zu reißen, aufgegeben. Aus Rache sandte er jetzt den Todesengel selbst, der sie holen sollte.
Auf dem Rücken des Hengstes lag ein Sattel aus scharlachrotem Leder. Unsichtbare Füße hielten die Steigbügel straff, unsichtbare Hände führten die Zügel. Der Herzog wußte, daß noch kein Mensch, der den Reiter in seiner ganzen düsteren Glorie sah, lange genug gelebt hatte, um davon berichten zu können. Wenn das schwarze Pferd in das Pentagramm eindrang, würden sie den Reiter nur allzu deutlich erkennen und das mit dem Leben bezahlen.
Richard lief der Schweiß in Strömen über das Gesicht, aber er blieb eisern stehen und starrte mit fasziniertem Entsetzen auf das Maul des Tieres. Es zog die Lippen zurück und entblößte zwei Reihen gelblicher Zähne. Es kaute auf seinem silbernen Gebiß. Schaumflocken tropften von seinem Maul.
Das Pferd schnaubte heftig. Heißer Atem quoll wie zwei Dampfwolken aus den Nüstern und traf Richards Gesicht. Er hörte de Richleau inständig beten und versuchte, es ihm nachzutun.
Der Hengst wieherte, warf den Kopf hoch und wurde von den unsichtbaren Händen zurück gegen die Bücherregale dirigiert. Die mächtigen Hufe klapperten laut auf dem Fußboden. Dann, wie mit messerscharfen Sporen angetrieben, stürmte er auf sie los.
Marie Lou schrie und versuchte, sich von dem Herzog loszureißen. Doch seine schlanken Hände umklammerten ihren Arm wie Stahlfesseln. Er wandte sein aschgraues Gesicht dem riesigen Ungeheuer entgegen, das sie unter seinen Füßen zerstampfen wollte.
Richards einziger Gedanke war, Marie Lou zu schützen. Er sprang vor sie, hob seine Automatik und drückte den Abzug.
Das Krachen der Explosion hallte in dem geschlossenen Raum wie ein Donnerschlag. Wieder – und wieder – und wieder feuerte er. Blendende Blitze durchzuckten die Bibliothek. Einige Sekunden lang war es so hell, daß de Richleau über den leeren Raum hinweg, wo sich gerade eben noch das große Pferd befunden hatte, die Titel der Bücher an der Wand lesen konnte.
Als Richard das Feuer einstellte, herrschten absolute Stille und Dunkelheit, in der sie einander atmen hören konnten. Zu sehen vermochten sie im Augenblick gar nichts.
Richard schoß es durch den Kopf, ob wohl die Dienstboten die Schüsse gehört hatten. Wenn sie angerannt kamen, konnte das vielleicht das Ende der gräßlichen Vorgänge bedeuten. Aber Minuten vergingen, und das erhoffte Trappeln rennender Füße ließ sich nicht hören. Er befühlte mit feuchten Händen seine Automatik und stellte fest, daß er das Magazin leergeschossen hatte. In seiner panischen Angst hatte er alle acht Schüsse gelöst.
Wie lange sie schweigend in die schrecklichen Schatten gestarrt hatten, wußten sie nicht, doch dann merkten sie plötzlich, daß sich das schreckliche Roß des schwarzen Engels, der zu ihrer Vernichtung von dem Schattenreich ausgesandt war, sich von neuem bildete.
Die roten Augen begannen in dem langen dunklen Gesicht zu glühen. Die Hufe stampften ungeduldig den Fußboden. In der Bibliothek roch es nach Stall. Das schimmernde Geschirr war deutlich zu erkennen. Die Zügel zogen sich straff von dem polierten Gebiß zu den unsichtbaren Händen oberhalb des Sattels. Das Tier schnaubte, erhob sich hoch in die Luft und griff zum zweiten Mal an.
Der Herzog fühlte, wie Marie Lou gegen ihn taumelte und auf den Boden fiel. Sie hatte das Bewußtsein verloren. Er konnte nichts für sie tun. Das Pferd war bereits über ihnen.
An dem Kreidestrich, der das Pentagramm begrenzte, scheute es. Mit einem Wiehern voller Schmerz und Angst warf es den mächtigen Kopf hoch, als sei es mit den Nüstern an einen rotglühenden Draht gestoßen. Es stampfte zurück, bis sich seine Hinterhand gegen die Bücherregale drückte.
Richard beugte sich über Marie Lou. In ihrer Furcht waren sie alle unwillkürlich aus der Mitte des Pentagramms in eine Ecke zurückgewichen. Als Richard sich niederkniete, stieß er mit dem Fuß an einen Becher mit Weihwasser, die zwischen den Zacken standen. Er kippte um. Das Wasser rann auf den Fußboden.
Gleichzeitig erfüllte ein wildes Triumphlachen den Raum. Es drang unter ihren Füßen hervor. Das sackähnliche Ungeheuer erschien
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