Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diener der Finsternis

Diener der Finsternis

Titel: Diener der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Wheatley
Vom Netzwerk:
überwältigend. Mocata hob in panischer Angst die Arme, um sich zu schützen, und sein Messer fiel klappernd auf die Steine. Das gräßliche Wesen, das er selbst aus dem Abgrund hervorgerufen hatte, traf ihn mit einem seiner mächtigen Hufe. Mocata wurde zu Boden geschmettert und fiel mit dem Kopf nach unten auf die Stufen.
    Ein Donnerschlag erfolgte, als berste der Himmel. Die satanische Tiergestalt löste sich auf. Für den Bruchteil einer Sekunde ließ sich noch einmal das schwarze Gesicht des Malagassen sehen, verzerrt vor Schmerz und Wut. Dann verschwand auch das hinter einem Schleier von wirbelndem Rauch.
    Die schwarzen Kerzen auf dem Altar erloschen. Die Kammer wurde nur noch von dem Phosphoreszieren des Talismans beleuchtet. De Richleau hatte ihn aufgenommen und hielt ihn in der offenen Hand. In seinem schwachen Licht sahen die Freunde, wie Fleur sich aufsetzte. Sie gab einen Jammerlaut von sich, glitt von dem niedrigen Steinaltar herab und wandte sich ihrer Mutter zu. Aber ihre Augen waren ausdruckslos wie bei einer Schlafwandelnden.
    Wie ein Mantel senkte sich absolute Stille herab. Eine leise, unirdische Musik klang auf. Stimmen von unvorstellbarer Reinheit mischten sich darein. Alle Furcht war verschwunden, als sie, einer nach dem anderen, auf die Knie sanken und der Lobeshymne lauschten. Ihre Augen waren auf Fleur gerichtet.
    Das Kind schritt langsam voran. Seine Gestalt änderte sich auf seltsame Weise. Der kleine Körper, der eben noch nackt gewesen war, wurde von einem goldenen Nebel umhüllt. Er streckte sich in die Höhe, die Schultern wurden breiter. Das Gesicht verlor seine kindliche Rundung und nahm die Züge eines Erwachsenen an. Das goldene Leuchten verdichtete sich zu einem langen gelben Seidengewand. Die dunklen Locken auf dem Kopf verschwanden und ließen einen schön proportionierten Schädel zurück.
    Als der Gesang endete, war alle Ähnlichkeit mit dem Kind ausgelöscht. An seiner Stelle stand ein erwachsener Mann vor ihnen. Sein Gewand ließ in ihm einen tibetanischen Lama vermuten, doch schien er alle irdischen Schlacken abgeworfen zu haben. Sein Gesicht zeigte die zarte Schönheit, die nur bei denen zu finden ist, die ihr ganzes Leben auf die Suche nach Weisheit verwenden. Die ernsten Augen verrieten Stärke, Wissen und Macht und zugleich eine unendliche Liebe und ein engelhaftes Mitgefühl, das sterblichen Menschen unbekannt ist.
    Die Erscheinung sprach nicht mit Worten, und doch hörte jeder aus der knienden Gruppe eine Stimme.
    »Ich bin ein Herr des Lichts, der sich nach vielen Leben der Vollendung nähert. Es ist unrecht von euch, daß ihr mich aus meinen Meditationen gerissen habt, aber ich verzeihe euch, weil eure Not groß war. Einer hier hat die flamme des Lebens in Gefahr gebracht, indem er das, was verborgen bleiben soll, für böse Zwecke zu benutzen trachtete. Die Liebe, die ihr füreinander hegt, hat euch Schutz gegeben. Sie hätte jedoch nichts bewirkt, wäre Sie nicht gewesen, die die Mutter ist. Der Erhalter hört immer auf Gebete, die frei von eigenen Wünschen sind. Deshalb wurde mir erlaubt, euch durch dieses Kind, in dessen Gedanken keine Unreinheit wohnt, zu erscheinen. Der Feind ist in die finsteren Hallen des Scheitan zurückgetrieben worden und kann euch kein Leid mehr antun. Lebt die euch zugemessene Zeitspanne zu Ende. Friede sei mit euch. Schlaft und kehrt zurück.«
    Für einen Augenblick schien es ihnen, als seien sie aus der Krypta herausgerissen worden und blickten von oben auf sie hinab. Der Kreis war eine flammende Sonne geworden. In seinem Mittelpunkt lagen ihre dunklen Körper. Der Friede und das Schweigen des Todes fluteten über sie hin. Sie befanden sich oberhalb des Klosters. Die große Ruine wurde zu einem weit entfernten schwarzen Fleck. Dann verblaßte alles.
    Es gab keine Zeit mehr. Für Tausende und Tausende von Jahren schwebten sie als glühende Funken in einer unermeßlichen Leere. Gefühle und Leidenschaften waren erstorben. Nach Äonen menschlicher Zeit sahen sie in unendlicher Ferne Cardinals Folly unter sich liegen und in dem Haus den dunklen Raum mit dem Pentagramm und ihren Körpern. Der Staub der Jahrhunderte lag auf ihnen und fiel und fiel … und deckte alles mit einer feinen grauen Schicht.
     
    * * *
     
    De Richleau hob den Kopf. Ihm schien, als habe er eine weite Reise hinter sich und danach tagelang geschlafen. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen und erkannte die vertrauten Bücherregale in der halbdunklen Bibliothek.

Weitere Kostenlose Bücher