Diener der Finsternis
»Hast du Fleur gesehen?«
»Ja. Sie war mit im Flugzeug. Mocata schwor mir, er werde sein Wort halten. Sobald wir mit dem Saturn-Ritual fertig seien, würde er mich mit Fleur nach England zurückkehren lassen.«
»Natürlich hat er dich betrogen«, brummte Rex. »Hier ist kein Mensch. Mocata ist fort, und er hat Fleur mitgenommen. Kannst du uns nicht sagen, wohin er verschwunden sein könnte?«
»Nein.« Simon schüttelte den Kopf. »Er hat mich gleich zu Anfang des Rituals hypnotisiert. Als ich Fleur zuletzt sah, war sie in jenem Lehnstuhl dort fest eingeschlafen, und das nächste, was ich weiß, ist, daß ihr mich alle anstarrtet.«
»Wenn ihr das Ritual durchgeführt habt, weiß Mocata nun, wo der Talisman ist«, stellte de Richleau fest.
Simon nickte.
»Dann wird er sich von hier aus sofort dahin begeben haben, wo sich der Talisman befindet.«
»Natürlich«, schaltete sich Richard ein. »Er wird keine Sekunde verloren haben.«
»Simon muß sein Ziel kennen.«
»Das verstehe ich nicht.« Rex sah den Herzog mit verwirrtem Stirnrunzeln an.
»In seinem Unterbewußtsein, meine ich. Unsere einzige Hoffnung ist, daß ich Simon erneut hypnotisiere und ihn jedes Wort wiederholen lasse, das er während des Rituals gesagt hat. Dadurch erfahren wir das Versteck des Talismans, und das ist auch der Ort, dem Mocata augenblicklich zustrebt. Bist du bereit, Simon?«
»Ja, natürlich. Du weißt, daß ich alles tue, was helfen kann.«
»Setz dich in den Sessel rechts vom Altar.« Der Herzog nahm Simon am Arm. »Wir wollen gleich beginnen.«
Simon lehnte sich in die bequemen Polster zurück. Sein langes Gewand mit den geheimen Symbolen in Schwarz und Rot wallte um seine Füße. »Schlaf, Simon«, befahl der Herzog. Simons Augenlider zitterten und schlossen sich.
»Du bist in diesem Tempel mit Mocata. Das Saturn-Ritual beginnt. Wiederhole die Worte, die du gesprochen hast.«
Wie im Traum sprach Simon Beschwörungen aus, die für Richard, Rex und Marie Lou völlig sinnlos waren.
»Überspring eine Viertelstunde.«
Simon brachte weitere Sätze hervor, die dem Uneingeweihten nichts sagten.
»Eine weitere Viertelstunde ist vergangen«, unterbrach de Richleau.
»… wurde über dem Ort erbaut, wo der Talisman versteckt ist«, leierte Simon. »Man findet ihn in der Erde rechts neben dem Altar.«
»Geh eine Minute zurück.«
»Nach Attilas Tod verbargen die Griechen ihn und kehrten mit ihm in ihr eigenes Land zurück. Bei der Rückkehr in die Stadt Yanina wurde sein Besitzer von bösen Geistern besessen und den Brüdern in dem Kloster oberhalb von Metsovo übergeben, das zwanzig Meilen von der Stadt entfernt in den Bergen liegt. Sie konnten die Geister nicht austreiben und sperrten ihn deshalb in eine unterirdische Zelle ein. Bevor er starb, vergrub er dort den Talisman. Sieben Jahre später wurde das Verließ zerstört und an seiner Stelle die Krypta gebaut und die große Kirche darüber. Der Talisman blieb in seinem ursprünglichen Versteck. Seine Kräfte beeinflußten nach und nach die Mönche und erfüllten sie mit Wollust und Gier, so daß das Kloster vor der Invasion der Türken verlassen wurde.«
»Halt«, befahl der Herzog. »Erwache.«
»Jetzt wissen wir es!« rief Rex. Gleichzeitig vernahm er ein Geräusch hinter sich und fuhr herum.
Vier Gestalten standen in der Dunkelheit. Die größte trat vor. Richards Hand faßte nach der Pistole, doch der Mann fuhr ihn an: »Keine Bewegung!« Sie sahen, daß er eine Automatik in der Hand hielt.
Zwei weitere Männer näherten sich. Der vierte war Castelnau.
»Ist das de Richleau, Verrier?« fragte der Anführer einen seiner Begleiter.
»Oui, Monsieur«, nickte dieser. »Das ist der berühmte Royalist, der uns in meiner Jugend so viel Mühe gemacht hat.«
»Bon! Das ist ja alles sehr interessant.« Die Blicke des großen Mannes wanderten über die obszönen Bilder bis zu den Beweisen der Teufelsanbetung auf dem Altar. »Seit einiger Zeit haben wir bereits Anhaltspunkte, daß in Paris eine Geheimgesellschaft die Teufelsanbetung praktiziert und daß sie für das Verschwinden mehrerer Kinder verantwortlich ist. Aber bis zur Stunde konnten wir die Hände nicht auf sie legen. Jetzt habe ich fünf von euch auf frischer Tat ertappt.«
Er hielt inne und verbeugte sich ruckartig. »Madame et Messieurs, erlauben Sie mir, daß ich mich vorstelle. Ich bin le Chef de la Sûreté Daudet. Monsieur le Duc, ich verhafte sie als Feind der Republik aufgrund der alten Anklage. Sie
Weitere Kostenlose Bücher