Diener der Finsternis
alle nehme ich als Personen fest, die der Entführung und des Mordes an Kindern zum Zwecke gotteslästerlicher Zeremonien verdächtig sind.«
XXXI
Zehn Sekunden lang standen die Freunde nur da und starrten den Kriminalbeamten an. Castelnaus Anwesenheit gab ihnen den Schlüssel zu dieser grotesken, aber äußerst gefährlichen Situation. Mocata mußte das Warenhaus ungefähr zur selben Zeit verlassen haben, als sie aus Castelnaus Wohnung kamen. Tanith hatte also doch recht gehabt, als sie voraussah, Mocata würde in dieser Nacht mit Castelnau in dessen Wohnung sprechen.
Mocata hatte den Bankier befreit und wiederbelebt. Er mußte sofort den Schluß gezogen haben, daß es de Richleau, wenn er Castelnau hatte hypnotisieren können, auch möglich sein mußte, aus Simon das Versteck des Talismans herauszuholen. Natürlich würden die Freunde ihm dorthin folgen.
Der Satanstempel, Mocatas Hauptquartier in Paris, war durch die Entdeckung für ihn wertlos geworden. Jetzt bedeutete er nur noch eine Gefahr. Unaussprechliche Verbrechen waren dort verübt worden. Mocata kam eine brillante Idee. Er konnte den Ort wenigstens noch dazu benutzen, seine Feinde zu vernichten.
Diese Schlußfolgerungen schossen de Richleau in wenigen Sekunden durch den Kopf. Eine Anzeige wegen satanischer Orgien hätte die Polizei vielleicht nicht sofort in Marsch gesetzt. Aber die Meldung, daß sich de Richleau, der im Exil lebende Royalist, in einem Tempel der Teufelsanbeter aufhielt, mußte den Kriminalbeamten wie eine vom Himmel gesandte Gelegenheit erschienen sein. Der Herzog konnte sich die Schlagzeilen der Zeitungen bereits vorstellen.
Der Trick hatte funktioniert. Man hatte sie in dem Höllenhaus erwischt, als sie etwas vollführten, was für Außenstehende wie ein Ritual aussehen mußte, zumal Simon immer noch sein phantastisches Gewand trug. Es war unmöglich, Monsieur le Chef de la Sûreté von ihrer Unschuld zu überzeugen, geschweige denn, ihn zu veranlassen, sie sofort freizugeben. Mocata war mittlerweile schon unterwegs zu seinem Flugzeug. Ein Nachtflug hatte für ihn, der die Elemente zu seiner Hilfe aufrufen konnte, keine Schrecken.
Fleur würde sich bei ihm befinden. Mocata war so wild entschlossen, Tanith zur Rückkehr zu zwingen, daß die Opferung eines getauften Kindes für ihn unerläßlich war. Und vierundzwanzig Stunden später besaß er den Talisman des Seth, der Tod und Entsetzen über die ganze Welt bringen würde.
De Richleau wußte, er konnte nur noch eins tun, und wenn er dabei erschossen wurde. Wie ein Panther sprang er dem Chef de la Sûreté an die Kehle.
Der Kriminalbeamte schoß aus der Hüfte. Die Kugel fuhr dem Herzog durch den linken Arm, aber sein Angriff warf den Polizeichef zu Boden.
Simon und Marie Lou warfen sich gleichzeitig auf den alten Verrier. Auch sie wußten, daß sie keine Möglichkeit mehr hatten, Fleur zu retten, wenn sie festgenommen wurden.
Richard hatte keine Zeit mehr, seine Pistole zu ziehen. Der dritte Mann hielt ihn fest. Rex jedoch traf den Polizisten mit der Eisenstange auf den Hinterkopf. Der Mann grunzte und fiel auf die Stufen zur Kanzel. Über seinen Körper hinweg sprang Rex auf Castelnau zu. Der Bankier rannte davon, doch Rex’ Beine waren länger. Am Eingang zum Tunnel faßte er den Satanisten an der Schulter. Castelnau konnte sich noch einmal losreißen. Dann traf ihn zum zweiten Mal in dieser Nacht die Faust des Amerikaners am Kinn.
De Richleau, dessen durchschossener Arm schlaff herabhing, lag neben dem Chef de la Sûreté am Boden. Der Polizeichef hatte eine Hand an der Kehle des Herzogs, und mit der anderen tastete er nach der ihm entfallenen Waffe. Es gelang ihm, sie zu ergreifen und auf Richard zu schießen, der zu de Richleaus Hilfe herbeistürzte. Der Schuß ging in den Bauch des satanischen Bocks über dem Altar. In der nächsten Sekunde hatte Richard ihm eine der schweren Bänke über den Kopf geschlagen.
Rex hielt sich nur so lange auf, bis er überzeugt war, Castelnau sei bewußtlos. Dann rannte er zu den Kämpfenden am Altar zurück.
Simon und Marie Lou hielten den kleinen Verrier zwischen sich fest. Richard zog den Herzog unter dem Körper des ohnmächtigen Polizeichefs hervor.
»Laß mich deine Wunde sehen, alter Freund«, sagte Richard. »Ich hoffe, daß die Kugel den Knochen nicht zerschmettert hat.«
»Ich glaube nicht.« De Richleau verzog das Gesicht, als sein Arm hochgehoben und der Mantelärmel abgeschnitten wurde. »Haltet euch mit mir
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