Diener des Boesen
»du siehst aus, als würden sämtliche Fische der Themse in deinem Magen umherschwimmen.«
»Wir hatten eine beschwerliche Reise«, sagte Neville schließlich und verzog den Mund zu einem verkrampften, wenig überzeugenden Lächeln.
»O ja, das hatten wir«, murmelte Margaret, und Bolingbroke warf ihr einen fragenden Blick zu.
Kapitel Fünf
Vesper am Fest der Entrückung des heiligen Cuthbert
Im ersten Jahr der Regentschaft Richard II.
(Montag, 5. September 1379, früher Abend)
– II –
»Margaret?« Bolingbroke schloss leise die Tür des Lagerraums hinter sich und blieb einen Moment lang stehen, bis seine Augen sich an das trübe Licht gewöhnt hatten. Das sanfte, warme Leuchten der Herbstsonne fiel durch die halb geschlossenen Läden der hohen Fenster, doch anfangs nahm Bolingbroke nur die Umrisse von Getreidesäcken und Bierfässern wahr, die an der gegenüberliegenden Wand lehnten oder unter den Fenstern aufgestapelt waren.
Dann trat die Gestalt einer Frau aus den Schatten in das goldene Zwielicht, und Bolingbroke gab ein leises Seufzen von sich, trat vor und schloss sie in die Arme. Sie waren so lange voneinander getrennt gewesen, und auch wenn sie Neville die wahre Natur ihrer Beziehung im Moment noch nicht offenbaren durften, würde sich Bolingbroke diesen kurzen Augenblick des Zusammenseins mit einer Frau, die er von ganzem Herzen liebte und die für ihr Vorhaben von größter Bedeutung war, nicht nehmen lassen.
»Meg! Gütiger Himmel, ich wusste nicht, ob du meine Nachricht erhalten hast!«
Sie zitterte, das Gesicht an seine Schulter gedrückt, und ihm wurde klar, dass sie leise weinte.
Er schob sie von sich, damit er ihr Gesicht sehen konnte. »Meg? Was ist geschehen?«
Margaret schenkte ihm ein kleines Lächeln. »Aber Hal? Bekomme ich nicht einmal einen Begrüßungskuss?«
Verärgert und besorgt drückte Bolingbroke ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. »Was ist passiert?«
»Der große Erzengel ist uns erschienen, als wir die Themse hinuntergesegelt sind.«
»Der heilige Michael hat es gewagt…?«
»O ja, er hat es gewagt.« Margarets Gesicht verzog sich vor Wut und Abscheu, als sie sich daran erinnerte. »Er hat mich als Geschmeiß bezeichnet und als Scheusal.«
Bolingbroke zog sie wieder an sich und versuchte, sie zu trösten. »Und Tom?«, flüsterte er und spürte, wie sie sich in seinen Armen versteifte.
»Der Erzengel hat ihn vor mir gewarnt und ihm gesagt, ich sei das, was er vernichten soll.«
»Wir haben von Anfang an gewusst, dass Tom dich verdächtigen würde…«
»Ja, aber Tom hat gesagt, ich könne ihm noch von Nutzen sein und dass ich ihm nicht gefährlich werden könne.«
Bolingbroke drückte sie fest an sich. »Er liebt dich nicht?«
»Nein. Und ich glaube auch nicht, dass er sich jemals in mich verlieben wird.«
Hal schwieg einen Moment lang. »Das können wir nicht hinnehmen«, sagte er schließlich mit leiser Stimme. »Thomas muss sich in dich verlieben. Er muss einfach.«
Margaret seufzte und löste sich aus seiner Umarmung.
»Wenn er wüsste, dass ich in diesem Augenblick hier bei dir bin…«
»Er wird es nicht erfahren. Ich habe ihn nach Cheapside geschickt, zu dem Goldschmied, der Marys Hochzeitsschmuck anfertigt, damit er darüber wacht, dass das Geschmeide sicher im Savoy Palace ankommt. Er wird noch über eine Stunde fort sein. Margaret, die Ereignisse schreiten schneller voran, als wir vermutet haben.«
»Diese Jeannette… diese Jeanne d’Arc.«
»Mit einer wie ihr haben wir nicht gerechnet, und auf ihre Einmischung sind wir nicht vorbereitet. Der Heiland möge uns beistehen, wenn es ihr gelingen sollte, die Franzosen gegen uns zu vereinen… ach! Aber ich kann jetzt nicht darüber sprechen. Dies ist einer der wenigen Momente, in denen wir zusammen sein können, Meg, und ich muss das Beste daraus machen.«
Er ließ sie los und begann in dem engen Lagerraum auf und ab zu gehen. »Ich hatte angenommen, uns blieben noch zwei oder drei Jahre, doch jetzt glaube ich, dass wir nur noch wenige Monate haben. Höchstens noch ein Jahr.«
Er blieb stehen und sah Margaret an. »Er muss sich noch vor Ende dieses Jahres in dich verlieben.«
»Aber wie soll ich das anstellen? Er hält mich für Abschaum! Gütiger Himmel, Tom macht nur das, was sein geliebter Erzengel ihm sagt!«
Bolingbroke schüttelte nachdenklich den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Er ist dem Erzengel nicht vollkommen hörig. Schon einmal hat er sich
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