Diener des Boesen
andere verstümmelt.
Sie brach in Schluchzen aus, die Erinnerung an den Racheakt des Erzengels erfüllte sie mit Übelkeit.
»Es muss eine Prüfung sein«, flüsterte Jeanne, »um festzustellen, ob ich bereit bin, Gott in der bevorstehenden Schlacht zu dienen.«
Sie rollte sich zusammen, zog die Knie eng an den Leib und lag lange Zeit da, bis sie ihre Fassung wiedergewonnen hatte.
Dann stand sie ein wenig unsicher auf und strich ihr Gewand glatt.
Morgen würde sie körperlich wie geistig auf die Probe gestellt werden, und sie hoffte, dass sie sich des Vertrauens für würdig erwies, das Gott und der Erzengel in sie setzten.
Da ging mit einem Mal eine Veränderung mit der kühlen Luft im Zimmer vor sich, und Jeanne wusste, dass der heilige Michael zurückgekehrt war. Sie erstarrte und erwartete fast, dass erneut furchterregende Bilder auf sie einstürmen würden, wie er sie ihr während seines Aktes der Vergeltung gezeigt hatte, doch dann atmete sie auf, als sie den vertrauten liebevollen Blick des Engels spürte.
»Heiliger Michael?« Jeanne sah sich im Zimmer nach dem goldenen Leuchten des Erzengels um, doch es war nicht zu sehen.
Du hast keinen Grund zur Furcht, Jeanne.
Sie seufzte erneut vor Erleichterung und lächelte dann.
Gott hat mich gebeten, dir ein Geschenk zu machen, ein Wunder, das alle Zweifler davon überzeugen wird, dass du tatsächlich seine Stimme bist.
Jeanne blinzelte und wollte den heiligen Michael fragen, was er damit meinte, doch ihr blieben vor Erstaunen die Worte im Halse stecken, als sie plötzlich die Wärme spürte, die ihren Unterleib durchströmte.
»Gottes Wille geschehe«, flüsterte sie, als die Wärme sich schließlich wieder verflüchtigt hatte.
Kapitel Zehn
Das Fest des heiligen Simon und des heiligen Judas
Im ersten Jahr der Regentschaft Richard II.
(Freitag, 28. Oktober 1379)
– I –
Isabella von Bayern stand vor dem Kamin und rollte langsam und entschlossen ihre Ärmel hoch. Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen.
Isabella kümmerte es wenig, was sich während der Untersuchung, die sie an diesem Morgen durchführen würde, ergeben mochte. Sie suchte nur nach einer Möglichkeit, das ehrgeizige Bauernmädchen gleichzeitig zu erniedrigen und in Verruf zu bringen.
Ihr Lächeln verhärtete sich. Sie hätte nie gedacht, dass ihr einmal eine solch frömmelnde Landpomeranze in die Quere kommen würde!
Isabella blickte auf, als die Tür zum Gemach sich öffnete. »Ah, Katherine. Meine Liebe, was hast du? Du siehst so blass aus…«
»Ich habe heute Nacht schlecht geschlafen, Madam.« Mit einem Nicken grüßte Katherine die drei anderen Edelfrauen, die der Untersuchung beiwohnen würden. Zwei Hebammen waren ebenfalls anwesend, und Katherine sah zu ihnen hinüber und stellte fest, dass eine der beiden für eine Frau von solch niederem Stand bemerkenswert gut aussehend war. Dann blickte sich Katherine im Zimmer um. Abgesehen von zwei großen Truhen und einer Bank, die an der Wand standen, und einem Tisch, der sich in der Nähe des Fensters befand – zweifellos des besseren Lichts wegen –, war der Raum leer. Katherine überraschte es ein wenig, dass Isabella ein Feuer im Kamin hatte anzünden lassen; die Kälte würde Jeanne ebenso wenig etwas ausmachen wie die prüfenden Finger und Augen der Frauen.
Katherine sah wieder zu ihrer Mutter hinüber, die nun ihre Ärmel hochgerollt hatte und sich vergewisserte, ob der Schleier ihres Kopfschmuckes sicher in ihrem Nacken befestigt war. »Habt Ihr gehört, dass der Wachmann, der Jeanne gestern im Saal der Hurerei beschuldigt hat, während der Nacht von den Burgmauern gestürzt ist?«
Isabella zuckte mit den Achseln. »Nein. Lag es am Wein?«
»Es war wohl eher die Hand Gottes«, sagte Katherine, ging zum Fenster hinüber, schaute hinaus und drehte Isabella wortlos den Rücken zu, um jeden Kommentar auszuschließen.
Isabella musterte einen Moment lang Katherines Rücken und beschloss dann, keinen weiteren Gedanken auf die Launen ihrer Tochter zu verschwenden. Der Spaß konnte beginnen.
»Marie«, sagte Isabella zu der hübschen Hebamme, »holst du bitte das Mädchen herein?«
Katherine drehte sich wieder um, als sie Marie mit Jeanne hereinkommen hörte. Sie setzte eine betont gleichgültige Miene auf, damit Jeanne ihre Furcht nicht bemerkte.
Gütiger Himmel wenn das Mädchen in der Lage war, göttliche Vergeltung auf die drei niederen Wachleute herabzurufen, die sie lediglich mit Worten
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