Dienstags ist sie nie da - Roman
eine Nachricht, und ich rufe euch dann zurück, sobald ich meine Auszeichnung als kreativstes Genie der Werbebranche entgegengenommen habe.«
»Daniel. Daniel. Nimm den Hörer ab. Bitte, nimm den Hörer ab«, sagte sie vor sich hin schniefend.
Schließlich fiel ihr ein, dass sie auf die Mailbox eines Mobiltelefons sprach und er sie ja nicht hören konnte.
»Daniel. Ruf mich an. Sofort. Ben weiß alles – und er ist weg, für immer. Was soll ich jetzt tun? Lass alles stehen und liegen und ruf mich an, Daniel. Ich brauche dich.«
Sie stellte das Telefon wieder in die Station und zuckte zusammen, als das Baby ihr einen kräftigen Tritt versetzte.
Sie sah an sich herunter und beobachtete, wie eine Hand oder ein Bein verzweifelt versuchte, die Dehnfähigkeit ihres Bauches auszutesten auf der Suche nach irgendeinem Spalt, der ans Tageslicht führen könnte.
Das passiert mir wirklich, dachte sie und starrte auf den kleinen Maulwurfshügel, der sich vorne über ihren Bauch bewegte. Ich werde wirklich mutterseelenallein ein Baby bekommen.
Die Tränen begannen erneut zu fließen, diesmal allerdings
nicht stürmisch, sondern eher wie ein lästiger Sprühregen, der niemals aufzuhören scheint.
Der Sprühregen hielt an, während Katy unglücklich über ihr Leben als alleinerziehende Mutter nachdachte. Als das Telefon endlich zum Leben erwachte, nahm Katy noch vor dem zweiten Läuten den Hörer ab.
»Was soll ich nur machen? Ben ist weg! Er ist endgültig gegangen«, platzte sie heraus, ehe Daniel auch nur Hallo sagen konnte.
»Er kam, und da war alles gut – bis ich dämliche, dämliche Kuh dachte, dass er sich alles zusammengereimt hatte. Dass er möglicherweise eben nicht der Vater ist. Aber er hatte es sich nicht zusammengereimt. Und er schrie mich an, forderte eine Erklärung, und dann musste ich ihm natürlich alles erzählen, und plötzlich hörte er auf zu schreien und sagte gar nichts mehr. Kein Wort. Er starrte nur vor sich hin und sah furchtbar traurig aus. Ich habe ihn noch nie so traurig gesehen. Und dann sagte er schließlich, dass ich ihn nicht verdient hätte. Und dass er nicht über die Lügen hinwegkommen würde. Und er hat ja so recht! Natürlich hat er recht. Ich bin ja so blöd gewesen! Und was soll ich jetzt machen? Wie soll ich dem Baby erzählen, was ich getan habe? Dass es mein Fehler ist, dass es keinen Daddy hat. Dass ich alles total verbockt habe. Dass ich sein Leben schon ruiniert habe, bevor es überhaupt zur Welt gekommen ist.«
»Ich bin schon unterwegs«, antwortete Matthew.
Die Leitung war tot, noch bevor Katy Zeit hatte, den Hörer vor Schreck auf den Boden fallen zu lassen. Er gab ein ungesund knackendes Geräusch von sich, als er auf das Holzparkett knallte, und dann hörte man den sanft
schnurrenden Ton, der bestätigte, dass der andere Teilnehmer aufgelegt hatte. Der Schock, Matthews Stimme zu hören, hatte Katy betäubt. Wie ferngesteuert nahm sie das Telefon und wählte 1471, um den Anrufer zurückzurufen. Sie kam auf den Anrufbeantworter.
»Hallo, das ist die Mailbox von Matthew Chesterman. Ich kann Ihren Anruf leider im Moment nicht entgegennehmen, aber wenn Sie Ihren Namen und Ihre Nummer hinterlassen, rufe ich Sie so schnell wie möglich zurück. Bitte sprechen Sie nach dem Signalton. Vielen Dank.«
»Geh ans Telefon«, murmelte Katy, der dieses Mal jedoch völlig klar war, dass er sie nicht hören konnte.
Der Signalton erklang.
»Ich dachte, du wärst Daniel. Wenn du das hörst – ich finde, dass du nicht zu mir kommen solltest. Bleib weg, Matthew, bitte.«
Sie legte auf, schlurfte durchs Wohnzimmer und ließ sich auf das Sofa fallen. Der Discovery Channel war von den Krabben zu einem neuen Programm übergegangen und zeigte jetzt frei lebende Elche, die sich in einem abgelegenen Waldgebiet paarten. Das Ritual wirkte ohne Ton besonders unerfreulich. Katy sah zu, wie der männliche Elch fertig wurde, herunterkletterte, sich schüttelte und dann die restlichen weiblichen Elche betrachtete, bevor er nonchalant zu seinem nächsten Ziel weiterzog.
Typisch Mann, dachte sie, doch da wurde ihr siedend heiß bewusst, dass sie sich genau wie der unbeteiligt dreinschauende männliche Elch verhalten hatte. War sie nicht von Partner zu Partner gewandert, ohne Angst vor möglichen Konsequenzen?
Die Handlung änderte sich. Nun rannte der männliche
Elch durch den dichten Wald. Der Bildschirm wurde schwarz, dann sah sie eine Szene, in der der Elch tot auf dem Boden lag.
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