Dienstanweisungen für einen Unterteufel
ersten Tagen seines Christseins des Guten etwas zuviel getan habe. Sprich zu ihm über „Mäßigung in allen Dingen“. Kannst Du ihn einmal auf den Gedanken bringen, daß „die Religion bis zu einem gewissen Grade ganz gut sei“, dann darfst Du Dich seiner Seele ruhig freuen. Eine gemäßigte Religion ist für uns so gut wie gar keine Religion – nur noch viel ergötzlicher.
Eine andere Möglichkeit ist die, seinen Glauben offen anzugreifen. Hast Du ihn einmal dazu gebracht, an seine innere Leere als einen Dauerzustand zu glauben, kannst Du ihn dann nicht davon überzeugen, daß auch „seine religiöse Phase“ eben langsam verebben werde, wie alle vorausgegangenen Phasen seines Lebens? Natürlich kann man nicht vernunftmäßig von der Überlegung: „Ich verliere mein Interesse an dieser Seele“, zu der andern Überlegung: „Diese Sache ist falsch“, gelangen. Aber, wie ich schon früher sagte, Du mußt Dich auf Schlagworte und nicht auf die Vernunft verlegen. Das bloße Wort „Phase“ wird sich hier wahrscheinlich als guter Kniff erweisen. Ich nehme an, daß diese Kreatur schon verschiedene Phasen durchgemacht hat – sie alle haben das – und daß er sich jeder durchlaufenen Phase gegenüber erhaben und gönnerhaft fühlt, nicht weil er sich wirklich mit ihr auseinandergesetzt hätte, sondern nur weil sie der Vergangenheit angehört. (Ich nehme an, Du fütterst ihn tüchtig mit verschwommenen Ideen über Fortschritt und Entwicklung und Geschichtliche Standpunkte und gibst ihm eine Menge moderner Lebensbeschreibungen zu lesen? Ihre Helden haben immer gerade eine Phase hinter sich, nicht wahr?)
Verstehst Du, was ich meine? Verhindere ihn daran, über die Gegensätzlichkeit von „ wahr “ und „ unwahr “ nachzudenken. Hübsche, unverbindliche Ausdrücke – „Es war eine Phase“ – „Ich habe das alles schon hinter mir“ – und jenen segensreichen Begriff „Entwicklungsalter“ nicht zu vergessen.
Dein Dich liebender Oheim
Screwtape
X
Mein lieber Wormwood,
Ich war entzückt, als ich durch Triptweeze vernahm, daß Dein Patient einige sehr wünschenswerte Bekanntschaften gemacht hat und daß Du anscheinend die Gelegenheit in vielversprechender Weise ausnützst. Ich habe den Eindruck, daß dies verheiratete Paar mittleren Alters, das ihn in seinem Büro besuchte, gerade die Art Leute ist, die wir für seinen Umgang wünschen – reich, elegant, oberflächlich-intellektuell und aufgeklärt skeptisch gegenüber allem und jedem in der Welt. Ich vermute, sie sind sogar pazifistisch angehaucht, und zwar nicht aus moralischen Gründen, sondern aus der eingefleischten Gewohnheit, alles herunterzusetzen, was die große Masse ihrer Mitmenschen bewegt, und aus einem Anflug von Salon-Kommunismus. Das macht sich ausgezeichnet. Und Du scheinst seine gesellschaftliche, geschlechtliche und intellektuelle Eitelkeit gut ausgenützt zu haben. Erzähle mir mehr darüber. Hat er sich schon ernsthaft mit ihnen eingelassen? Ich meine nicht mit Worten. Es gibt da ein feines Spiel von Blicken, Tonfall und Lächeln, wodurch ein Sterblicher den andern bedeuten kann, daß er sich zur Partei seiner Gesprächspartner zählt. Diese Art Verrat solltest Du besonders unterstützen, da der Mann sich seiner selbst nicht ganz bewußt ist; bis er aber seine Lage erkennt, wirst Du ihm den Rückzug schwierig gemacht haben.
Er wird zweifellos bald erfassen, daß sein Glaube in offenem Widerspruch steht zu den Anmaßungen, von denen die ganze Unterhaltung seiner neuen Freunde ausgeht. Ich glaube zwar nicht, daß dies viel zu bedeuten hat, vorausgesetzt, daß Du ihn dazu anhältst, jedes offene Eingeständnis der Tatsache hinauszuschieben. Das wird mit Hilfe von Scham, Stolz, Bescheidenheit und Eitelkeit sehr leicht zu bewerkstelligen sein. Solange dieser Aufschub dauert, befindet er sich in einer verzwickten Lage. Er wird schweigen, wenn er sprechen, und lachen, wenn er schweigen sollte. Er wird zuerst in seinem Benehmen, bald auch in seinen Gesprächen alle zynischen und skeptischen Ansichten annehmen, obwohl sie in Wirklichkeit nicht seine Ansichten sind. Wenn Du ihn aber zu spielen verstehst, werden sie seine eigenen Ansichten werden. Alle Sterblichen neigen dazu, sich in das zu verwandeln, was sie zu sein vorgeben. Das ist elementar. Das wirkliche Problem jedoch ist, wie wir uns auf den Gegenangriff des Feindes vorbereiten.
Vor allem muß der Augenblick soweit wie möglich hinausgezögert werden, da er dieses neue
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