Dienstanweisungen für einen Unterteufel
überlegen, auf welche Weise diese Ausnutzung geschehen soll.
Ich habe vor allem die eine Erfahrung gemacht, daß die Perioden der Tiefpunkte in der Wellenbewegung der menschlichen Seele eine ungemein gute Gelegenheit bieten zu allerlei sinnlichen Versuchungen, ganz besonders geschlechtlicher Art. Dies mag Dich überraschen: denn natürlich verfügt er auf den Höhepunkten auch über mehr körperliche Energie und daher über größere Begierlichkeit. Du darfst aber nicht vergessen, daß auch die Widerstandskräfte in diesen Zeiten am stärksten sind. Gesundheit und Hochstimmung, die Du benutzen kannst, Lust zu erregen, können leider auch leicht der Arbeit, dem Sport, dem Denken oder harmlosen Freuden dienen. Der Angriff hat viel mehr Aussicht auf Erfolg, wenn das ganze innere Leben des Menschen grau, kalt und leer ist. Merke Dir auch, daß sich die Geschlechtslust in den Zeiten des seelischen Tiefstandes auf eine ganz feine Weise von der Geschlechtslust bei geistiger und seelischer Gesundheit unterscheidet. Sie ist viel weniger geeignet für jenes Zuckerwasser-Phänomen, das die Menschen „Verliebtsein“ nennen, sie ist dem Perversen viel näher und viel weniger verdorben von jenen großmütigen, schöpferischen, ja sogar spirituellen Begleitumständen, die die menschliche Geschlechtlichkeit häufig so enttäuschend machen. Ganz dasselbe gilt von andern fleischlichen Lüsten. Es wird Dir viel eher gelingen, aus Deinem Manne einen tüchtigen Trunkenbold zu machen, wenn Du ihm den Alkohol als Betäubungsmittel gegen Langeweile und Niedergeschlagenheit aufdrängst, als wenn Du ihn ermutigst, den Alkohol zur Förderung der gemütlichen Stimmung unter Freunden zu genießen, wo er glücklich und aufgeschlossen ist. Vergiß nie, daß wir uns in gewissem Sinn auf Feindesboden begeben, wenn wir uns mit irgendeinem Vergnügen in seiner gesunden, normalen und befriedigenden Form befassen. Ich weiß, wir haben durch Vergnügungen schon manche Seele gewonnen. Trotzdem, die Freude ist Seine Erfindung, und nicht die unsrige. Er hat sie geschaffen; trotz unserer ganzen so weit entwickelten Forschung ist es uns bisher nicht gelungen, eine einzige wahre Freude hervorzubringen. Alles, was wir tun können, ist, die Menschen anzuspornen, die vom Feinde geschaffenen Freuden zu Zeiten oder in einer Weise oder in einem Grade zu genießen, die Er nicht erlaubt. Darum versuchen wir stets, von den natürlichen Bedingungen jeder Freude wegzuarbeiten, dahin, wo sie sich am weitesten vom Natürlichen entfernt, wo sie am wenigsten an den Schöpfer erinnert und am wenigsten erfreut. Wachsende Begierde nach immer mehr schwindender Freude heißt die Formel. Sie ist sicherer und „stilvoller. Was Unseres Vaters Herz zutiefst erfreut, ist, die Seele eines Menschen zu erhalten und ihm nichts dafür geben zu müssen. Die Zeit seelischen Tiefstandes ist gerade der günstige Augenblick, damit anzufangen.
Es gibt aber noch ein besseres Mittel, die Tiefpunkte auszubeuten; nämlich durch das, was der Patient selber über seinen Zustand denkt. Der erste Schritt ist wie immer, jegliche Erkenntnis von ihm fernzuhalten. Lasse ihn nicht entdecken, daß es ein Gesetz der Wellenbewegung gibt. Lasse ihn annehmen, die erste Inbrunst seiner Bekehrung hätte andauern und bleiben müssen, und seine gegenwärtige innere Leere sei nun auch ein dauernder Zustand. Hast Du diese falsche Auffassung einmal fest in seinem Kopf verankert, dann kannst Du auf verschiedenen Wegen weitergehen. Es hängt ganz davon ab, ob Dein Mann zu den verzagten Naturen gehört, die bis zur Verzweiflung versucht werden können, oder aber, ob er zu denen gehört, bei denen der Wunsch Vater des Gedankens ist und die davon überzeugt werden können, daß alles in bester Ordnung ist. Der erstere Typus wird selten unter den Menschen. Sollte Dein Patient zu dieser Art gehören, ist alles leicht. Du hast nur zu verhüten, daß er erfahrenen Christen begegnet (eine leichte Pflicht), seine Aufmerksamkeit auf geeignete Schriftstellen zu lenken und ihn zu dem hoffnungslosen Vorhaben anzuspornen, die alten Gefühle aus reiner Willenskraft wiederherzustellen; so werden wir das Spiel gewinnen. Ist er von eher hoffnungsvoller Natur, so besteht Deine Arbeit darin, daß er sich mit der niedrigeren Seelentemperatur abfindet und schließlich sogar zufriedengibt, indem er sich selber einredet, sie sei eigentlich gar nicht so niedrig. Nach einer oder zwei Wochen weckst Du in ihm den Verdacht, ob er nicht in den
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