Dienstanweisungen für einen Unterteufel
„Vergnügen“ als Versuchung erkennt. Da die Diener des Feindes nun schon zweitausend Jahre hindurch predigen, „die Welt“ sei eine der wesentlichen Versuchungen, sieht diese Aufgabe schwierig aus. Glücklicherweise haben sie jedoch in den letzten Jahrzehnten sehr wenig darüber gesagt. Während ich in den modernen christlichen Schriften vieles (ja mehr als mir lieb ist) über den Mammon finde, sehe ich nur wenig von den alten Warnungen vor weltlicher Eitelkeit, in bezug auf die Wahl der Freunde und den Wert der Zeit. All das wird Dein Patient wahrscheinlich als „Puritanismus“ abtun; beiläufig möchte ich bemerken, daß die Bewertung, die wir diesem Begriff gegeben haben, einer der wirklich zuverlässigsten Erfolge des letzten Jahrhunderts wurde. Dank diesem Erfolg retten wir jährlich Tausende von Menschen vor der Enthaltsamkeit, der Keuschheit und einer nüchternen Lebenshaltung.
Früher oder später jedoch muß ihm die wahre Wesensart seiner neuen Freunde klarwerden, und dann muß sich Deine Taktik nach der Intelligenz des Patienten richten. Ist er dumm, dann umgarnst Du ihn, so daß er den wahren Charakter seiner Freunde nur erkennt, wenn sie abwesend sind; ihre Gegenwart kann so gestaltet werden, daß sie alle Kritik wegwischt. Gelingt das, dann kann er dazu gebracht werden, ein Doppelleben zu führen, wie ich das viele Menschen tatsächlich ziemlich lange Zeit habe tun sehen. Er wird in den verschiedenen Kreisen, in denen er verkehrt, nicht nur jedesmal den Anschein erwecken, ein anderer Mensch zu sein, sondern dieser andere Mensch auch wirklich sein. Sollte das fehlschlagen, so gibt es einen noch raffinierteren und um so unterhaltsameren Weg. Man kann ihn dahin bringen, am Widerspruch seines Doppellebens ein gewisses Vergnügen zu finden. Das erreichst Du durch seine Eitelkeit. Man kann ihm beibringen, Spaß daran zu finden, am Sonntag neben dem Metzger zu knien und sich in der Vorstellung zu gefallen, daß dieser Metzger keinen Deut Verständnis hat für die feingebildete, spöttelnde Welt, in der er sich am Samstagabend bewegt. Anderseits wird er die Zoten und die Lästerreden beim Kaffee mit diesen wunderbaren Freunden um so mehr genießen, als er sich einer „tieferen“ und „geistigeren Welt“ in seinem Innern bewußt ist, von der seine Freunde nichts verstehen können. Du verstehst, was ich meine – die weltlich gesinnten Freunde berühren die eine Seite, der Metzger die andere Seite seines Wesens, er aber ist der vollkommene, ausgeglichene, vielseitige Mann, der sie alle überragt. So wird er in seinem ständigen Verrat nach zwei Seiten statt Scham eine fortwährende, unterbewußte Selbstbefriedigung empfinden. Sollte schließlich alles fehlschlagen, dann kannst Du ihn überreden, seinem Gewissen zum Trotze die neue Bekanntschaft weiterzupflegen, mit der Begründung, er tue diesen Menschen ganz einfach „gut“, nur schon indem er ihre Cocktails mit ihnen trinkt und über ihre Scherze lacht. Einfach abzubrechen wäre „eingebildet“, „intolerant“ und (natürlich) „puritanisch“.
Mittlerweile wirst Du selbstverständlich vorsichtig darauf bedacht sein, daß diese neue Entwicklung ihn dazu verleitet, mehr auszugeben, als er sich leisten kann, sowie seine Arbeit und seine Mutter zu vernachlässigen. Ihre Eifersucht, ihre Angst und sein vermehrtes Ausweichen oder seine Grobheit werden unschätzbar sein zur Verschärfung der häuslichen Spannung.
Dein Dich liebender Oheim
Screwtape
XI
Mein lieber Wormwood,
Alles geht also seinen guten Gang. Vor allem freut es mich, zu hören, daß die zwei neuen Freunde Deinen Patienten mit ihrer ganzen Clique bekannt gemacht haben. Nach den Angaben unseres Registrierbüros sind sie alle vollkommen zuverlässige Leute; beharrliche, konsequente Spötter und Weltkinder, die, ohne irgendwelche aufsehenerregende Verbrechen verübt zu haben, doch ruhig und behaglich dem Hause Unseres Vaters zuwandern. Du sprichst von ihnen als von ausgesprochenen Lachern. Ich hoffe, das bedeute nicht, daß Du unter dem Eindruck stehst, das Lachen als solches spreche stets zu unsern Gunsten. Diese Sache ist es wert, näher untersucht zu werden.
Ich teile die Ursachen menschlichen Lachens ein in: Freude, Scherz, den eigentlichen Witz und Spott. Freude findest Du unter Freunden und Liebenden, die am Vorabend eines Feiertags beisammensitzen. Erwachsene brauchen für gewöhnlich irgendeinen Vorwand, um einen Scherz zu machen. Nur die Leichtigkeit, mit der auch die
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