Dienstanweisungen für einen Unterteufel
umherschweifende Aufmerksamkeit zu fesseln. Du brauchst ihn nicht mehr länger mit einem guten Buch, das ihm wirklich Freude bereitet, vom Beten, Arbeiten oder Schlafen abzuhalten. Jede Reklameseite in der gestrigen Tageszeitung wird das nun fertigbringen. Du kannst ihn veranlassen, seine Zeit nicht allein in einer interessanten Unterhaltung mit Leuten zu vergeuden, die ihm gefallen, sondern auch in einer Unterhaltung mit Leuten, die ihm gleichgültig sind, über Dinge, die ihn im Grunde langweilen. Du wirst ihn auch so weit bringen, daß er stundenlang überhaupt nichts tut. Du kannst ihn bis spät in die Nacht hinein wach halten, nicht für lärmende Vergnügen, sondern nur noch, um im kalten Zimmer zu sitzen und in die erstorbene Glut des Kaminfeuers zu starren. Jede für uns unerwünschte, gesunde, lebensfrohe Tätigkeit kann so abgedrosselt werden, ohne daß wir als Ersatz irgend etwas zurückgeben. So mag er am Ende sagen wie einer meiner eigenen Patienten bei seiner Ankunft hier unten: „Nun erkenne ich, daß ich die meiste Zeit meines Lebens damit verbrachte, weder zu tun, was ich hätte tun sollen, noch zu tun, was ich gerne getan hätte.“ Die Christen beschreiben den Feind als denjenigen, „ohne den das Nichts stark ist“. Und das Nichts ist sehr stark; stark genug, einem Menschen seine besten Jahre zu rauben, nicht durch den Genuß angenehmer Sünden, sondern durch trübselige Grübeleien, durch die Befriedigung so schwacher Gelüste, daß er sich ihrer nur halb bewußt ist: sinnlos mit den Fingern oder den Absätzen zu trommeln, nichtssagende Melodien zu pfeifen oder sich im dämmrigen Labyrinth von Träumereien zu verlieren, denen weder Lust noch Ehrgeiz einen Reiz gibt, die aber, einmal durch eine zufällige Gedankenverbindung wachgerufen, diese Menschenkreatur derart schwächen und benebeln, daß sie sich nicht mehr zu befreien vermag.
Du wirst mir entgegenhalten, dies seien aber gar geringfügige Sünden, und bist zweifellos, wie alle jungen Versucher, begierig darauf, von spektakulärer Gottlosigkeit berichten zu können. Aber vergiß nicht: es kommt alles darauf an, wie weit Du den Menschen vom Feinde zu trennen vermagst. Es kommt nicht darauf an, wie geringfügig die Sünden sind, vorausgesetzt, daß sie dahin zusammenwirken, den Menschen vom Lichte hinwegzudrängen hinaus in das Nichts. Mord taugt nicht mehr als Kartenspiel, wenn das Kartenspiel genügt. Der sicherste Weg zur Hölle ist der allmähliche – der sanfte Hang, angenehm für die Füße, ohne plötzliche Kurven, ohne Meilensteine, ohne Wegweiser.
Dein Dich liebender Oheim
Screwtape
XIII
Mein lieber Wormwood,
Es scheint mir, Du brauchst recht viel Papier, um eine einfache Geschichte zu erzählen. Klipp und klar gesagt: Du hast Dir Deinen Mann durch die Finger schlüpfen lassen. Die Lage ist bedenklich, und ich sehe wahrhaftig nicht ein, warum ich versuchen sollte, Dich vor den Folgen Deiner Unfähigkeit zu schützen. Bewußte Reue und eine Erneuerung dessen, was die andere Seite Gnade nennt, in einem Maße, wie Du es beschreibst, ist eine Schlappe ohnegleichen. Das kommt einer zweiten Bekehrung gleich – und sehr wahrscheinlich einer Bekehrung, die tiefer geht als das erstemal.
Wie du hättest wissen sollen, ist diese erstickende Wolke, welche es Dir unmöglich machte, den Patienten auf seinem Rückwege von der alten Mühle anzugreifen, eine altbekannte Erscheinung. Sie ist die roheste Waffe des Feindes und kommt im allgemeinen dort zur Anwendung, wo Er selbst, in bis jetzt noch nicht völlig erforschten Formen, dem Patienten nahe ist. Es gibt Menschen, die von dieser Wolke dauernd umgeben und daher für uns unzugänglich sind.
Und nun zu Deinem Schnitzer! Wie Du selbst bekennst, ließest Du zu, daß der Patient ein Buch las, das ihn wirklich interessierte, und das nicht, um seinen Freunden geistreiche Bemerkungen darüber zu machen, sondern nur da -um, weil das Lesen ihm Freude bereitete. Zweitens erlaub test Du ihm den Spaziergang zur alten Mühle, ließest ihn dort seinen Tee nehmen und ließest zu, daß er diesen Spaziergang durch eine Gegend, die er liebt, ohne jegliche Begleitung machte. Mit anderen Worten, Du hast ihm zwei wirkliche, vollkommene Freuden zugestanden. Warst Du tatsächlich so einfältig, die Gefahr darin nicht zu sehen? Das Bezeichnende am Schmerz und an der Freude ist, daß sie unverkennbar wirklich sind und darum dem Menschen, der sie erlebt, einen Prüfstein für Wirklichkeit an die Hand geben.
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