Dienstanweisungen für einen Unterteufel
dankbar zu freuen vermag wie über die Gaben seines Nächsten oder über einen Sonnenaufgang, einen Elefanten oder einen Wasserfall. Er möchte, daß letztlich jeder Mensch imstande ist, alle Kreatur (auch sich selbst) als herrliche, wundervolle Geschöpfe zu erkennen. Er möchte ihre animalische Selbstliebe so bald als nur möglich in ihnen ertöten; aber ich fürchte, Seine. Politik auf lange Sicht geht dahin, ihnen eine neue Art Selbstliebe zurückzugeben – eine Art Nächstenliebe und Dankbarkeit gegenüber jedem Menschen, sich selbst einbezogen; wenn die Menschen wirklich gelernt haben, ihre Nächsten wie sich selbst zu lieben, so wird ihnen gestattet, sich selbst zu lieben, wie sie ihre Nächsten lieben. Denn wir dürfen den abstoßendsten und unerklärlichsten Wesenszug des Feindes nie vergessen: Er liebt diese haarlosen Zweibeiner, die Er erschaffen hat, wirklich und gibt ihnen mit der rechten Hand zurück, was Seine Linke ihnen weggenommen hat.
Sein ganzes Mühen geht dahin, den Menschen von sich selbst zu befreien. Es wäre Ihm viel lieber, der Mensch würde sich selbst als großen Baumeister oder Dichter ansehen und es gleich wieder vergessen, als daß er viel Zeit und Mühe aufwendet, sich als schlechten Baumeister oder Richter hinzustellen. Der Feind wird daher Deinen Versuch, dem Patienten entweder Aufgeblasenheit oder falsche Bescheidenheit einzuflößen, mit dem einleuchtenden Hinweis begegnen, daß von einem Menschen für gewöhnlich nicht verlangt wird, sich irgendwelche Meinung über seine eigene Begabung zu bilden. Er kann seine Fähigkeiten immer weiter ausbilden und entwickeln, ohne daß er die genaue Nische in der Ruhmeshalle für sich vorausbestimmt. Du mußt versuchen, diese Selbstverständlichkeit aus dem Bewußtsein des Patienten um jeden Preis auszuschließen. Der Feind versucht auch, in dem Patienten eine Lehre Wirklichkeit werden zu lassen, die diese Leute zwar alle bekennen, aber nur schwer mit ihren wahren Gefühlen in Einklang bringen können: die Lehre, daß sie sich nicht selbst erschaffen haben, daß ihre Talente ihnen geschenkt worden sind und daß sie genausogut stolz auf die Farbe ihrer Haare sein könnten. Immer aber und mit allen Mitteln wird der Feind sich bemühen, den Patienten von diesen Fragen abzubringen. Deine Aufgabe ist es, sie darin festzunageln. Sogar über seine Sünden soll er nach dem Willen des Feindes nicht allzuviel nachsinnen. Sind sie einmal bereut, dann freut es den Feind um so mehr, je rascher er davon loskommt.
Dein Dich liebender Oheim
Screwtape
XV
Mein lieber Wormwood,
Natürlich habe ich auch bemerkt, daß es für die Menschen im europäischen Krieg – den sie naiverweise „den Krieg“ nennen – eine Ruhepause gegeben hat. Ich bin daher gar nicht so erstaunt, daß auch die Angst des Patienten abgeflaut ist. Sollen wir ihn darin bestärken, oder wäre es besser, ihn weiter zu beunruhigen? Quälende Furcht und törichte Zuversicht sind beides ganz wünschenswerte Gemütszustände. Unsere Wahl zwischen beiden wirft wichtige Fragen auf.
Die Menschen leben in der Zeit, der Feind aber hat sie für die Ewigkeit bestimmt. Daher möchte Er, so glaube ich, daß sie ganz besonders auf zwei Dinge ihre volle Aufmerksamkeit richten: auf die Ewigkeit selbst und auf jenen Punkt in der Zeit, den sie Gegenwart nennen. Denn die Gegenwart ist der Punkt, in dem die Ewigkeit die Zeit berührt. Vom Augenblick, und nur von ihm allein, haben die Menschen eine Erfahrung ähnlich derjenigen, welche der Feind von der Wirklichkeit als ganzer besitzt; in diesem Augenblick allein sind ihnen Freiheit und Wirklichkeit tatsächlich angeboten. Er möchte daher, daß sie sich entweder stets um die Ewigkeit (was gleichbedeutend ist wie mit Ihm selber) oder um die Gegenwart bekümmern indem sie entweder über die ewige Vereinigung mit Ihm oder über die ewige Trennung von Ihm nachdenken und im übrigen der gegenwärtigen Stimme ihres Gewissens folgen, ihr gegenwärtiges Kreuz tragen, die gegenwärtige Gnade entgegennehmen und für die Freuden der Gegenwart danken.
Unser Werk geht darauf aus, sie von der Ewigkeit und von der Gegenwart wegzulotsen. Mit dieser Absicht versuchen wir einen Menschen (sagen wir eine Witfrau oder einen Gelehrten), in der Vergangenheit zu leben. Der Wert dieser Versuchung ist jedoch ziemlich begrenzt, denn die Leute besitzen tatsächliche Kenntnisse von der Vergangenheit, und diese Kenntnis ist bestimmter Natur und gleicht darin der Ewigkeit. Viel
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