Dienstanweisungen für einen Unterteufel
Hättest Du etwa versucht, Deinen Mann über den Weg der Romantik für die Verdammnis reif zu machen – etwa eine Art byronischen „Childe Harold“ oder einen in Selbstmitleid über eingebildete Schmerzen versunkenen Goetheschen „Werther“ aus ihm zu machen –, so hättest Du ihn unter allen Umständen vom Erleben wirklicher Schmerzen abhalten müssen. Denn fünf Minuten echter Zahnschmerzen hätten ohne Zweifel nicht nur die romantischen Leiden als den Unsinn offenbart, der sie wirklich sind, sondern sie hätten auch Deine ganze Strategie entlarvt. Nun hast Du aber versucht, Deinen Patienten über den Weg der Weltlichkeit zur Verdammnis zu führen, das heißt, indem Du ihn durch Eitelkeit, Vielgeschäftigkeit, Ironie und als Vergnügen getarnte kostspielige Langeweile an der Nase herumführtest. Wie war es Dir nur möglich, zu übersehen, daß eine wirkliche Freude das letzte ist, was er hätte erleben dürfen? Konntest Du nicht voraussehen, daß sie durch den Gegensatz den ganzen Schwindel, den zu schätzen Du ihm mit so viel Mühe beigebracht hast, erledigen würde? Und daß die Art von Vergnügen, wie sie ihm das Buch und der Spaziergang bereiteten, die gefährlichste war von allen? Daß sie die ganze Kruste, die Du um sein Empfindungsvermögen gelegt hast, auflösen würde, so daß er sich fühlen mußte wie einer, der zu sich selbst kommt, der sich selbst wiederfindet? Um ihn vom Feinde zu lösen, mußtest Du ihn vor allem von sich selbst lösen, und darin hattest Du auch gute Fortschritte gemacht. Jetzt aber ist alles umsonst.
Natürlich weiß ich, daß es auch dem Feinde daran gelegen ist, die Menschen von ihrem eigenen Ich zu lösen, aber in anderem Sinne. Denke stets daran, daß Er diese kleine Brut wirklich liebt und einen albernen Wert auf die Persönlichkeit eines jeden von ihnen legt. Wenn Er zu ihnen davon spricht, daß sie ihr „Selbst“ verlieren sollen, so meint Er damit nur die Preisgabe der Anmaßung ihres Eigenwillens. Haben sie dem Folge geleistet, so gibt Er ihnen tatsächlich ihre volle Persönlichkeit zurück und rühmt sich (ich fürchte, wirklich im Ernst), daß sie, wenn sie völlig Sein Eigentum sind, mehr ihr eigenes Selbst sind als je zuvor. Daher kommt es, daß Er, während Er Sich über das Opfer ihres harmlosen Willens freut, es geradezu haßt, sie aus irgendeinem andern Grunde von ihrer eigentlichen Wesensart wegtreiben zu sehen. Wir aber sollten sie ununterbrochen gerade dazu anspornen. Die tiefsten Neigungen und Impulse eines jeden Menschen sind das Rohmaterial, der Ausgangspunkt, mit dem der Feind ihn ausrüstet. Ihn davon wegzubringen ist daher immer gewonnener Raum; sogar in gleichgültigen Dingen ist es stets wünschenswert, die wirklichen Neigungen und Abneigungen eines Menschen zu ersetzen durch die Maßstäbe der Welt oder das Herkömmliche oder die Mode. Ich selbst würde diesen Versuch sehr weit treiben. Ich würde es mir zur Regel machen, in meinem Patienten jede ganz persönliche Neigung zu irgend etwas, das nicht tatsächlich Sünde ist, völlig auszurotten; sogar wenn es sich um ganz alltägliche Dinge handeln mag, wie Vorliebe für Kricketspiel, Markensammeln oder Kaffeetrinken. Ich gebe zu, solche Dinge haben nichts mit Tugend zu tun; aber ich mißtraue dieser Art von Harmlosigkeit, Demut und Selbstvergessen, die sie enthalten. Der Mensch, der sich wahrhaftig und uneigennützig an irgendeiner Sache in der Welt um der Sache selbst willen freut, ohne sich einen Deut darum zu kümmern, was die Leute darüber sagen, ist durch diese Tatsache allein von vornherein gewappnet gegen unsere raffiniertesten Angriffsmethoden. Du solltest Deinen Patienten immer abzubringen versuchen von Menschen, Speisen oder Büchern, die ihm wirklich zusagen, zugunsten der „feinen Leute“, der „korrekten“ Speisen, der „wichtigsten“ Bücher. Ich kannte einen Menschen, der vor einer starken Versuchung zu gesellschaftlichem Ehrgeiz durch seine noch größere Vorliebe für Kutteln mit Zwiebeln bewahrt wurde.
Es bleibt uns nur übrig, zu überlegen, wie wir das Unheil wieder wettmachen. In erster Linie müssen wir ihn daran verhindern, irgend etwas zu unternehmen. Solange er seine Reue nicht in die Tat umsetzt, tut es nichts zur Sache, wieviel er über sie nachsinnt. Lasse das kleine Scheusal sich darin wälzen. Lasse ihn, wenn er irgendwelche Anlagen dieser Art hat, ein Buch darüber schreiben; das ist oft ein glänzender Weg, den Samen, den der Feind in die Seele des
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