Dienstanweisungen für einen Unterteufel
annehmen könnten, wäre ihm so geschmacklos wie ein Gedicht, dessen Versmaß ihnen verständlich ist. Er besitzt außerdem eine verheißungsvolle Ader für Unredlichkeit. Wir lehren ihn sagen: „Die Lehre der Kirche ist …“, wenn er wirklich meint: „Ich bin ziemlich sicher, neulich bei Maritain oder in so einem ähnlichen Buch gelesen zu haben …“ Aber ich muß Dich warnen, er hat einen ganz fatalen Fehler: er glaubt nämlich wirklich! Und das könnte natürlich alles verderben.
Doch ein Gutes haben diese beiden Kirchen gemeinsam – sie verfolgen beide eine „Richtung“. Ich glaube, ich machte Dich schon früher darauf aufmerksam, daß wenn Dein Patient schon nicht von der Kirche abgehalten werden kann, er wenigstens dahin gebracht werden muß, sich leidenschaftlich einer bestimmten Richtung in der Kirche anzuschließen. Ich meine dabei nicht dogmatische Unterschiede; je lauer er in dieser Beziehung ist, um so besser. Wir stützen uns auch nicht vorwiegend auf die Dogmatik, um Übelwollen zu schüren. Der eigentliche Spaß besteht vielmehr darin, Haß zu erregen zwischen denen, die „Messe“, und denen, die „Abendmahl“ sagen, wobei wahrscheinlich keine der Parteien den Unterschied, sagen wir, zwischen einem aufklärerischen Protestanten und Thomas von Aquin wirklich in einer Form darlegen könnte, die auch nur der oberflächlichsten Kritik standhalten würde. Und alle jene ganz unwesentlichen Dinge, wie Kerzen und Meßgewänder und dergleichen, sind ein vortrefflicher Boden für unsere Tätigkeit. Was jener verderbliche Geselle Paulus über die Speisegebote und andere solcher Unwichtigkeiten lehrte – nämlich daß der Mensch ohne Bedenken immer dem Menschen mit Bedenken Rechnung tragen solle –, das haben wir schon längst aus Kopf und Herz der Menschen entfernt. Man sollte glauben, sie hätten längst eingesehen, wohin das führt. Man sollte erwarten, daß der Anhänger der „Low Church“ in die Knie fiele und sich bekreuzigte, damit das schwache Gewissen eines „hochkirchlichen Bruders“ nicht zur Unehrerbietung verleitet werde und daß der „Hochkirchliche“ sich dieser Übungen enthalten würde, damit er seinen Bruder aus der Low Church nicht zur Abgötterei verführe. So wäre es auch geschehen ohne unser beständiges Mühen. Ohne unser Wirken wäre die Vielgestaltigkeit der Bräuche innerhalb der Kirche von England zu einem wahren Treibhaus der Liebe und der Demut geworden.
Dein Dich liebender Oheim
Screwtape
XVII
Mein lieber Wormwood,
Die wegwerfende Art, mit der Du die Unmäßigkeit als Mittel zur Seelengewinnung in Deinem letzten Brief abtust, zeigt, wie unwissend Du im Grunde bist. Eine der größten Errungenschaften der letzten hundert Jahre ist wohl die Ertötung des menschlichen Gewissens in dieser Sache. Du kannst heute ganz Europa in die Länge und in die Breite durchwandern, ohne Gefahr zu laufen, eine Predigt über dieses Thema anhören zu müssen, oder ein Gewissen zu finden, das seinetwegen beunruhigt wäre. Das wurde hauptsächlich dadurch erreicht, daß wir all unser Bemühen auf die Unmäßigkeit des Feinschmeckertums konzentrierten und nicht auf die der Vielfresserei. Die Mutter Deines Patienten ist ein gutes Beispiel dafür, wie ich den Akten entnehme und wie Du es wohl auch von Glubose hättest erfahren können. Sie würde sehr erstaunt sein – und ich hoffe, eines Tages wird sie es auch sein –, zu entdecken, daß ihr ganzes Leben dieser Art Sinnlichkeit versklavt ist. Diese Tatsache bleibt ihr nur deshalb verborgen, weil ihr Genuß sich auf kleine Nahrungsmengen beschränkt. Was aber bedeutet die Quantität, wenn wir den menschlichen Magen und Gaumen gebrauchen können, um Verdrossenheit, Ungeduld, Lieblosigkeit und die Sorge um das eigene Ich zu schaffen? Glubose hat die alte Frau sehr gut in der Hand. Sie ist ein wahrer Schrecken für Gastgeberinnen und Dienerschaft. Immer wendet sie sich von dem, was ihr angeboten wird, ab und sagt mit einem kleinen Seufzer und zimperlichen Lächeln: „Oh, bitte, bitte … alles, was ich wünsche, ist eine Tasse Tee, schwach, aber nicht zu schwach, und ein ganz klein wenig wirklich knusperig gerösteten Toast.“ Begreifst Du? Weil das, was sie wünscht, weniger und billiger ist als das, was ihr vorgesetzt wird, erkennt sie ihre Hartnäckigkeit, das zu bekommen, was sie zu haben wünscht, nie als Unmäßigkeit, wie lästig sie auch andern damit werden mag. Genau dann, wenn sie ihrer Eßlust frönt, glaubt sie,
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