Dienstanweisungen für einen Unterteufel
bereit, sich aus seinem Schwelgen in der Selbstlosigkeit hinauswerfen zu lassen. Er besteht darauf, zu tun, „was die andern wünschen“. Sie bestehen darauf, zu tun, was er wünscht. Der Zorn steigt auf. Bald wird jemand sagen: „Gut denn, ich mag überhaupt keinen Tee mehr!“ Und nun folgt ein richtiger Streit mit bitterem Groll auf beiden Seiten. Hast Du kapiert, wie es gemacht wird? Wäre jede Partei offen und ehrlich für ihre wirklichen Wünsche eingestanden, so hätten sich alle in den Grenzen der Vernunft und des Anstandes gehalten. Aber gerade weil der Streit mit umgekehrten Vorzeichen geführt wird und jede Partei das Gefecht der andern austrägt, bleibt ihnen all die Bitterkeit, die aus der durchkreuzten Selbstgerechtigkeit und Hartnäckigkeit stammt, sowie der in den letzten zehn Jahren angesammelte Groll völlig verborgen durch die angebliche oder offizielle Selbstlosigkeit in dem, was sie tun oder um deretwillen sie wenigstens entschuldigt zu sein glauben. Jede Seite weiß tatsächlich genau, wie billig die Selbstlosigkeit des Gegners ist und wie er die andern in eine falsche Lage zu zwingen versucht; aber jeder bringt es fertig, sich selbst als unschuldig und mißbraucht zu empfinden, und das nicht einmal mit mehr Unredlichkeit als von Menschen natürlicherweise erwartet werden kann. Ein vernünftiger Mensch hat einmal gesagt: „Wenn die Menschen wüßten, wieviel böses Blut durch die Selbstlosigkeit verursacht wird, so würde sie nicht so oft von der Kanzel aus empfohlen“, und wieder: „Sie ist die Art von Frau, die nur für andere lebt – wer die andern sind, kannst du an ihrem gehetzten Gesichtsausdruck erkennen.“ Das alles kann in der Verlobungszeit seinen Anfang nehmen. Eine kleine Dosis wirklicher Selbstsucht auf Seiten Deines Patienten hilft Dir auf die Dauer oft weniger dazu, Dir eine Seele zu sichern, als die ersten Anfänge jener entwickelten und selbstbewußten „Selbstlosigkeit“, die eines Tages zu dem erblühen kann, was ich Dir beschrieben habe. Ein wenig gegenseitige Unredlichkeit, ein gewisses Erstaunen darüber, daß das Mädchen nicht immer bemerkt und entsprechend würdigt, wie selbstlos er ist, kann jetzt schön eingeschmuggelt werden. Pflege diese Dinge sorgfältig, und lasse vor allem die jungen Narren nichts davon merken. Sollten sie ihnen auf die Spur kommen, so sind sie auf dem besten Wege, zu entdecken, daß „Liebe“ allein nicht genügt, daß christliche Nächstenliebe notwendig wäre, aber noch nicht erreicht ist, und daß kein Gesetz von außen her diese christliche Liebe zu ersetzen vermag. Ich möchte nur, Slumtrimpet könnte etwas unternehmen, um den Sinn des Mädchens für Humor zu untergraben.
Dein Dich liebender Oheim
Screwtape
XXVII
Mein lieber Wormwood,
Du scheinst gegenwärtig schlecht voranzukommen. Ganz gewiß liegt es auf der Hand, seine „Liebe“ zu benützen, um seine Gedanken vom Feinde abzulenken. Aber Du zeigst nur, was für einen armseligen Gebrauch Du davon machst, wenn Du berichtest, daß diese ganze Frage des Abgelenktwerdens und der geistigen Zerstreutheit eines der Hauptanliegen seines Gebetes geworden ist. Das bedeutet, daß Du in großem Umfang versagt hast! Wenn diese oder irgendeine andere Ablenkung seine Gedanken kreuzt, dann mußt Du ihn darin bestärken, sie aus reiner Willenskraft von sich zu weisen und zu versuchen, in gewohnter Weise im Beten fortzufahren, als ob nichts geschehen wäre. Sobald er diese Ablenkung als seine gegenwärtige Schwierigkeit ins Auge faßt, sie vor den Feind hinlegt und sie zum Hauptanliegen seines Betens und seiner Bemühungen macht, hast Du mehr Unheil angestiftet als Gutes getan. Alles, sogar eine Sünde, die ihn schließlich noch näher an den Feind heranbringt, wirkt sich am Ende gegen uns aus.
Vielversprechend ist folgende Methode: Nun, da Dein Patient verliebt ist, erwächst ihm eine neue Vorstellung von irdischem Glück, und deshalb bekommt sein Bittgebet eine neue Dringlichkeit, was den Krieg und alles angeht, was mit ihm zusammenhängt! Jetzt ist es an der Zeit, ihm intellektuelle Schwierigkeiten wegen dieser Art Beten zu machen. Falsche Geistigkeit soll immer gefördert werden. Auf der scheinbar frommen Grundlage, „Lobpreis und die Gemeinschaft mit Gott sind das wahre Gebet“, können Menschen oft zum offenen Ungehorsam gegen den Feind verlockt werden, der ihnen (in seiner gewöhnlich so platten, gemeinplätzigen, uninteressanten Art) anbefohlen hat, um ihr tägliches Brot und
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