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Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Titel: Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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nicht. Jetzt telefoniert der Chefbulle, auf chinesisch und ausführlich. Mittendrin will er meine Passnummer wissen. Da ich sie nicht sofort ausspucke, verlangt er den Aktenordner mit den ausgefüllten Übernachtungsformularen. Noch einmal saust das Adrenalin, da mein Zettel mit dem meiner Freundin zusammengeheftet wurde. Erfährt er von ihr (und diesmal schwarz auf weiß), kann ich mich von meinen Träumen verabschieden. Zu offensichtlich wären die Widersprüche, um nicht schwerwiegende Rückschlüsse zu ziehen.
    Noch einmal habe ich Glück. Während der Kommissar schon in den Unterlagen blättert ( A wäre der erste Buchstabe!), überkommt mich die rettende Erleuchtung. Blitzschnell rufe ich ihm die im Kopf wiedergefundene Passnummer zu. Die Akte bleibt liegen, er gibt die Daten durch, wir kehren zu den Wagen zurück, die noch immer mit laufendem Motor bereitstehen. Wo eine harmlose Überraschung wartet: Zwei Reporter kommen auf mich zu, fragen und fotografieren. Ich schnorre eine Zigarette.
    Die Polizisten sind freundlich und machen Mut. Nachdem ich noch den Haufen rostiger Tonnen gezeigt habe, hinter denen ich (angeblich) mein Gepäck versteckt und vor einer Stunde (angeblich) hervorgeholt hatte, ist alle Skepsis aus ihren Gesichtern verschwunden. Auch meine eigenen, heimlichen Fragen weichen zurück: Ob ich mich nicht übernommen habe mit etwas, das einige Nummern zu groß geraten ist? Ich weiß es nicht. Jedenfalls erhole ich mich rasch.
    Bald kommt uns Verstärkung entgegen. Nun haben wir vier Scheinwerfer und 26 Männeraugen. Das reicht. Nichts entgeht ihnen, nicht das Ticket, nicht der Ausweis, beide keine zehn Schritte vom »Tatort« entfernt. Wäre ich imstande gewesen, ich hätte Sergeant Wong, den wunderbaren kleinen dicken Sergeant Wong, in uferloser Dankbarkeit umarmt. Aber ich blute noch immer und so schüttle ich nur ergriffen seine Rechte.
    Weiter zur Western Police Station . Erste Hilfe und ein Kaffee. Hinterher gebe ich aufgewühlt, doch gefasst, eine detaillierte Beschreibung des »Tatvorgangs«. Alles hatte ich zuvor millimetergenau in meinem Kopf zurechtgelegt. Die sonst so argwöhnischen Herren zeigen jetzt großes Vertrauen. Der malträtierte Körper und die Not im Gesicht. Kein Zweifel, wieder wurde ein ahnungsloser Fremder Opfer des rohen Hongkonger Alltags.
    Ein letzter Widerhaken. Eine Kopie des Protokolls bekomme ich erst morgen Vormittag, wenn der Copyshop öffnet. Ich übe mich in Geduld. Um 22.15 Uhr bin ich entlassen. Noch ist der Coup nicht perfekt, eine Menge Unwägbarkeiten stehen noch aus, von Entwarnung keine Rede.
    Auf dem Western Market tausche ich mein strapaziertes Hemd gegen ein T -Shirt. Dann suche ich die kürzeste Wegstrecke, laufe sie entlang, stelle beruhigt fest, dass ich genug Zeit habe, um morgen rechtzeitig an der vereinbarten Stelle zu sein. Ich rufe im Hotel Ming an:
    »Cathy, alles o.k.?«
    »Alles o.k. Und bei dir?«
    »Kein Problem.«
    »Du bist schrecklich.«
    »Ich weiß, aber was soll ich machen.«
    »Bleibt es bei unserer Verabredung, morgen um 9.45 Uhr?«
    »Ja, wie besprochen, morgen um 9.45 Uhr.«
    Drüben auf Kowloon gehe ich noch etwas essen. Dann eine Unterkunft suchen, ein Bett in einem winzigen Zimmer ist schnell gefunden. Ich schlafe schlecht, die Haut brennt, mein Kopf muss nachdenken, muss noch zähe Vorarbeiten für den nächsten Tag leisten.
    6.30 Uhr aufstehen. Minuten später das erste Hindernis: Niemand an der Rezeption und die Eingangstür ist verschlossen. (Gnade uns allen, wenn es hier brennt.) Es dauert, bis ich begreife, dass sie nur automatisch funktioniert. Es dauert dreimal so lang, bis ich den in einer Schreibtischschublade montierten Auslöserknopf finde.
    Auf der Polizeistation muss ich warten. Als nach über einer Stunde der Kopierladen noch immer nicht besetzt ist, werde ich eindringlich. Mein Flugzeug geht und das Protokoll brauche ich, um, wie ich notlüge, »in Deutschland eine kostenlose medizinische Versorgung meiner Verletzungen zu erhalten.« Kein Wort von meiner Reisegepäckversicherung. Doch die Beamten der Morgenschicht sind an einem solchen Papier nicht interessiert. Schadet nur dem Ruf der Stadt. Zudem: Die zwei Gangster sind längst unauffindbar. Wozu also? Eine überflüssige Pflichtübung, da ich morgen als Randnotiz in der Zeitung vorkomme und abends in der Registratur verschwinde. Abgelegt bis zum Jüngsten Tag.
    Doch ich bestehe, zeige meine Wunden. Jetzt packt sie das Mitleid. Das Protokoll mit

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