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Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Titel: Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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Durchschlag wird nochmals geschrieben. Und ich diktiere, vom Blatt. Der Mensch an der Schreibmaschine freut sich über meine Hilfsbereitschaft und ich habe gleich Gelegenheit, die gestrige Fassung noch um Nuancen zu verbessern. Kaum ist das Diktat beendet, wird der Mann abgerufen. Irgendwo ein Großeinsatz. Das Büro leert sich und ich nutze die Gunst der Stunde: Die Liste der »abhanden« gekommenen Gegenstände schreibe ich selbst in die Maschine. Von der Fotoausrüstung über Taperecorder und Feldstecher bis zum Elektrorasierer. Alles erstklassig und sündteuer. Am Ende finde ich einen imposanten Stempel, stemple, kopiere die nächstbeste Unterschrift, die ich in einem Papierstapel finde.
    Ich wische hinaus, verlasse ohne weitere Schwierigkeiten das Gebäude. Außer Sichtweite beginne ich zu rennen, bis zur Central Station . Mit der Subway durch die Meerenge von Kowloon. Am Tsin-Sha-Tsui-Stop nach oben. Weiterrennen zur Cameron Road . Vier Minuten vor 9.45 Uhr biege ich um die Ecke. Cathy sieht mich, winkt ein Taxi heran, steigt ein und fährt auf mich zu, ich nehme neben ihr Platz. Weiter zum Flughafen. Schrecksekunde über meinen blutdurchsickerten Verband. Ich berichte kurz, dass alles planmäßig gelaufen ist. Wie vereinbart, hat meine Freundin nur eine Reisetasche im Kofferraum deponiert. Meine billige Wäsche hat sie weggeworfen. Ich darf nichts mehr besitzen. Dreihundert Meter weiter steige ich wieder aus, nehme ein eigenes Taxi. Wir werden uns nicht kennen, solange wir nicht abheben Richtung Westen.
    Noch einmal zuckt der gefolterte Herzmuskel. Wir stehen schon zur Abfertigung bereit, als über Lautsprecher mein Name aufgerufen wird: »Mister Altmann, please contact the information desk.« Zweimal höre ich den fürchterlichen Satz. Im Vorübergehen ein Seitenblick auf Cathys starres Gesicht. Die Polizei, wer sonst? Der ganze Schwindel aufgeflogen. Ein Jahr Bunker im berüchtigten Stanley Prison wird nun fällig, zum Nachdenken über bürgerliches Wohlverhalten.
    Von alldem nichts. Per Computer bin ich in der first class gelandet. Ein hübscher Formfehler, eine Banalität, rasch geklärt. Trotzdem schlage ich vor, dass wir jetzt abheben. Meine Nerven benötigen dringend eine Luftveränderung.
    Und wir fliegen. Viele Stunden lang. In denen Glückswellen durch meinen Körper ziehen. Und in denen ich meine harmlosen Wunden wie Insignien eines Sieges mit mir herumtrage. Wieder höre ich mein Herz, wieder spüre ich den Triumph überwundener Angst, wieder bin ich auf intensive Weise am Leben.
    Nachwort, nein, Danksagung: Die Leute von der Versicherung haben gezahlt. Den genau anvisierten Betrag. Nach langem trickreichen Papierkrieg kapitulierten sie. Zähneknirschend, vermute ich. Aber ich lieferte eine wasserdichte Story, das Protokoll war tadellos, ohne das leiseste Verdachtsgeräusch. Zudem organisierte ich – wieder getürkt – die geforderten Rechnungen und Belege.
    Klar, zuerst wurden die Kredite bei den Freunden abgetragen. Mit dem Rest gingen Cathy und ich einkaufen. Als Ganovenbraut hatte sie Anspruch auf einen Teil der Beute. Sie entschied sich für ein Kleid von Balmain. Es passte zu ihr. Es war elegant und exklusiv.

MAGIC MUSHROOM
    In einem Coupé der Transsibirischen Eisenbahn hatte die Bewunderung für diesen Mann begonnen. Er ließ die Hose herunter und holte aus seinem geheimnisvollen Körper ein winziges Päckchen hervor. Darin lag wohlriechend ein Grüner Türke , würziges Haschisch aus Istanbul. Tapfer von dort in die Taiga geschmuggelt. Wir rauchten den Pot und ich lernte jemanden kennen, der die drei wichtigen Gaben eines Mannes besaß: Großmut, Mut, Heiterkeit.
    Fünf Jahre später sah ich Drake wieder. Wir trafen uns diesmal in Kanada, in der kleinen, viereckigen Stadt, in der er lebte. Ich hatte Angst, dass ihn sein Dasein als Businessman ruiniert hätte, er inzwischen dem Weg allen bürgerlichen Fleisches gefolgt, ja unberührbar geworden wäre für die Frechheiten und Heldentaten seines früheren Lebens. Aber die Angst verflog in Sekunden. Ein Blick genügte und ich wusste, dass noch alles intakt war. Auch die drei großen Tugenden.
    Wir hatten nur eine Nacht. Und die wollten wir nutzen. Meinen Rucksack stellte ich im Haus der Eltern seiner Freundin Bonnie ab. Platz zum Übernachten gab es hier genug. Ein ganzes Haus als witziger Albtraum in Rosa. Ein bärenfelldicker Teppichboden und vier Bäder, fünf Fernseher, drei Kamine, ein Jacuzzi, eine Sauna, ein Swimmingpool, zwei

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