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Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)

Titel: Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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Wohnsäle, sechs Schlafzimmer, zwei Esszimmer, drei Garagen. Und mittendrin ein zweitüriger Elefantenkühlschrank in einer One-million-dollar-kitchen.
    Hier wohnten Vater Ted und Mutter Jane. Sie hießen mich herzlich willkommen. Dann schlugen sie vor, uns drei ins Golden Inn zu schleppen, wo die Stadt das jährliche Octoberfest feierte. Ich blickte verschreckt Richtung Drake, der ein schnelles Zeichen machte, Subtext: »Relax, no problem!«
    Der Fünfunddreißigjährige hatte bereits für alles gesorgt. Ein paar Schritte hinter der Rezeption bogen wir zu dritt links ab, zur Männertoilette. Die ahnungslosen Eltern marschierten nach rechts, direkt auf den reservierten Tisch zu. Und wie fünf Jahre zuvor versperrte Drake sorgfältig die Tür der Toilette und öffnete grinsend seinen Hosengürtel. Diesmal kam ein Wunderwerk zum Vorschein, ein Edelstoff aus Mexiko: Magic Mushroom . »Just chew and swallow.« Und wir kauten und schluckten. Bonnie murmelte abwesend: »Trau niemandem, der keine Drogen nimmt.«
    Nach zwanzig Minuten betraten wir den Tanzsaal. Was wir sahen, rechtfertigte den Gebrauch aller Drogen dieser Welt: eine jodelnde Band in Lederhosen. Und davor ein großer Haufen original bayerisch maskierter Kanadier, die Freude schäumend Gamshut, Kuhglocke und Maßkrug schwenkten, ja, immer wieder losrannten und als Schuhplattler übers Parkett trampelten.
    Drake hatte recht. Nur eine Stunde mussten wir den beißenden Bierdunst ertragen, dann war der magische Pilz ganz oben im Hirn angekommen und lähmte unseren Hohn. Bald verziehen wir jedem, waren mit jedem einverstanden, fanden alle die dampfenden Dicken und Dünnen majestätisch und erhaben wie Buddha. Keiner von uns leistete mehr Widerstand.
    Das schien nur der Anfang der Magie. Magic Mushroom zauberte weiter, erreichte endlich den Bauch, reizte in immer kürzeren Abständen unser Zwerchfell. Was lustig anfing, wurde bald peinlich. Weil wir lachten und keinem sagen konnten, warum. Eine Leichtigkeit fuhr durch unsere Körper, die kein anderes Gefühl zuließ als dieses sinnlose Gelächter. Wir hatten Glück. Bonnies Eltern, selbst hinweggetragen von einer Welle unaufhörlich sprudelnden Alkohols, vergaßen uns. So war Gelegenheit zu verschwinden. Die Droge lauerte in unseren Leibern und instinktiv fühlten wir, dass der Höhepunkt noch ausstand. Eine andere Umgebung musste her.
    Was für vorlaute Sätze ich da hinschreibe. Wir entschieden schon lange nichts mehr. Längst hatte das Rauschgift das Kommando übernommen. Es wusste, dass es andere Örtlichkeiten brauchte, um seine letzten Geheimnisse preiszugeben.
    Wir zogen hinunter in den Keller des Hotels, in den Lone Star Saloon . Hier verkleideten sich die Kanadier als Cowboys. Breite Hüte, breite Gürtel, breite Stiefel, die ruhigen, lässigen Gesten. Country Music von den Mercy Brothers rieselte. Die Cowboys und ihre Cowgirls schoben sich bedächtig über die Tanzfläche.
    An der Bar erwischte es mich. Ein wollüstiges Ziehen durchstrahlte meine Beine, sie schlenkerten. Ich musste mich festhalten, um nicht mit Genuss zusammenzusacken. Gleichzeitig ermahnte ich Bonnie, mir rechtzeitig Schneeschuhe zu besorgen, damit ich später nicht absöffe im elterlichen Teppichboden. Der blöde Satz war der Startschuss. Ein erster krachender Lacher entfuhr unseren drei Mündern. Die coolen Cowboys blickten herüber. Zu spät. Der mushroom kribbelte bereits in unseren Fußsohlen. Wir waren startbereit zum Abflug. Niemand konnte uns mehr erreichen, niemand mehr heilen vom Gift und vom Rausch, der nun wie ein Lauffeuer durch unser Nervensystem loderte.
    Wir zogen nochmals um. Wir gingen nicht, wir flogen. Hinüber ins zweihundert Meter entfernte Branding’s , einen Nachtclub mit Diskothek. Je zwielichtiger die Umgebung, so träumten wir, desto rasanter könnten wir uns gehenlassen. Die Cowboys waren okay, aber halt Cowboys. Sicher nicht gerissen genug, um die vielen nutzlosen Lacher ohne Missverständnis zu akzeptieren. Irgendwann hätten sie uns auf den Kopf gehauen und wissen wollen, über wen wir uns hier lustig machten.
    Aber auch das Branding’s und seine schicke Kundschaft waren dem Stoff nicht gewachsen. Wir entdeckten einen Fleischberg und tauften ihn »the man who was too steep«. Selbst mit Schneeschuhen war er zu dick und zu steil, um erfolgreich bestiegen zu werden. Der Dicke fand das gar nicht witzig und forderte uns auf, »to stay just fuckin’ normal«.
    Das hätte er nicht sagen sollen. Wie Missiles

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