Dies beschissen schöne Leben: Geschichten eines Davongekommenen (German Edition)
verraten haben. Ihnen ist dieses Buch gewidmet.
DIE ABENTEUER
CELESTE
Liebe soll etwas Verbotenes haben. Das schärft die Wachheit, das Wissen um ihre Verletzbarkeit. Liebe ist ein Geschenk an die Tapferen. Hört die Tapferkeit auf, geht die Liebe weg. Fast ein Jahr lang war Celeste dazu bereit. Heimlich und mutig hielt sie durch.
Als wir uns zum ersten Mal trafen, kam die Amerikanerin gerade aus Malaysia zurück. Mit einem kleinen Umweg über ihren Gynäkologen. Sie wollte wissen, ob sie schwanger war. Von ihrem Freund, mit dem sie in Asien unterwegs war. Und mit dem sie gemeinsam in Paris lebte. Celeste arbeitete als Reporterin, er als Fotograf. Der Befund war negativ. Wäre es anders gewesen, sie hätte es ebenfalls akzeptiert. Sie mochte den Mann.
Einer ihrer Arbeitgeber hatte ihr von mir erzählt. Er wollte, dass sie intensiver schreiben lernte, sie wollte das auch. Und so erwähnte der Mensch meinen Namen. Am nächsten Tag rief Celeste an, sagte »Hi« und den Grund, warum sie mich sprechen wollte. Ihre freche Neugier war bestechend, wir verabredeten uns.
Eine knappe Stunde lang saßen wir im Café Le Bastille . Mir fiel auf, wie attraktiv sie war. Kein hübsches Collegeface, nein, ein richtiges Frauengesicht. Good talking. Sie schien intelligent, vif, fleißig. Und auf lässige Weise bescheiden. Da ich keine Ahnung hatte, wie jemands Kunst des Schreibens zu verbessern, zitierte ich einen Großmeister. Henry Miller gab jedem den energischen Rat, es ordentlich mit der Sprache zu treiben. Henry, wörtlich: »Du musst sie jeden Tag ficken, sie watschen und auf den Kopf stellen, sie von vorn und von hinten stoßen. Dann, vielleicht, wird sie Laute von sich geben, die überraschen.«
Celeste verkraftete den Satz, notierte ihn sogar. Als wir uns verabschiedeten, war ich nicht sicher, ob Millers Bemerkung nicht eine Spur zu heftig geklungen hatte. In der Metro wusste ich plötzlich, warum ich ihn ausgesprochen hatte. Ich wollte die Frau provozieren, ihr das Schreiben ausreden. Ich zweifelte an ihrer Stärke, an ihrem Willen, für den Weg zur Spitze stark genug zu sein. Sie schien mir zu versöhnlich, nicht im Besitz dieses Feuers, das gefräßig genug in ihr loderte: damit sie eines Tages bereit war, für alles zu bezahlen. Denn nur wer lodert, hat das Recht zu schreiben.
Seltsamerweise rief sie ein paar Tage später wieder an, schlug den Besuch einer Lesung mit Doris Lessing vor. Wir gingen ins British Council . Sie hörte aufmerksam hin, notierte wieder, erinnerte sich hinterher an hundert Details. Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich mit einer schönen Amerikanerin durch Paris schlenderte, um ihr beim Reden über Doris Lessing zuzuhören. Während des Sushi-Essens erwähnte sie mehrmals ihren Freund, sprach gut und sanft von ihrer innigen Beziehung. Zwischendurch hatte ich den Eindruck, dass sie die Innigkeit einmal zu oft erwähnte. Als wollte sie mir signalisieren, mich in keine falschen Hintergedanken zu verirren.
Ich musste für drei Wochen verreisen. Bisweilen erinnerte ich mich an Celeste. Ohne sie zu begehren und ohne von ihr zu träumen. Aber ich mochte den Gedanken an jemanden, der Sprache liebte und nach ihr suchte. Zu ihrem Geburtstag schickte ich ihr zwei Zeilen aus einem Rilkegedicht: »Gib deine Schönheit immer hin / ohne Rechnen und Reden. / Sie spricht für dich. Und sagt: Ich bin.« Mit dem Feuer spielen, das wollte ich schon. Dachte ich.
Noch zweimal sahen wir uns. Dann wurde ich nervös. Entdeckte ich doch etwas Drittes an ihr: Wärme. Kein kaltes Großstadtweib flanierte da neben mir, kein nachdrücklich gepflegter Body mit einem frigiden Herz. Celeste war ein warmer Mensch. Auch das noch.
Dennoch, ich war noch immer guten Willens, das Schwärmen auszuhalten, nichts zu versuchen, um die Träume in die Wirklichkeit zu zerren. Außerdem gab es da einen anderen Mann. Ich wollte phantasieren, nicht sündigen, nicht eindringen.
Sie fing wieder an, jetzt das zweite Mal. Das Telefon klingelte und Celeste verkündete, dass sie umgehend bei mir sein würde. Punkt. Dann hängte sie ein. Dreißig Minuten später betrat sie meine Wohnung und legte sich auf den Futon. Ohne ein Wort der Erklärung.
Kein Handgriff ging mir daneben. Ich verdunkelte etwas, machte Tee, massierte behutsam ihre Stirn. Täuschte sie doch ein leichtes Kopfweh vor. Instinktiv begriff ich, dass es sich um einen Test handelte. Ein schneller Fick war das letzte, was sie sich bei mir abholen wollte. Sie spionierte mich
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