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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Russo
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er musste zugeben, dass es eines gab, in dem sie nicht  übereingestimmt hatten, etwas, das der Große Truro-Traum nicht einmal berührte. Griffin hatte gehofft, er könnte in Hinblick auf ihre Eltern eine einfache, für sie und ihn verbindliche Politik erwirken: einen Bann über beide Familien. Sie sollten mit Harve und Jill auf der einen und William und Mary auf der anderen Seite so wenig zu tun haben, wie es der Anstand erlaubte. Und er war mehr als bereit, mit gutem Beispiel voranzugehen. Er hatte nicht die Absicht, Joy oder – wenn es dann so weit war – ihre Kinder dem Einfluss seiner Eltern auszusetzen. Durfte er umgekehrt wohl auf ein Gleiches hoffen?
    Was er damals in Truro nicht begriffen hatte, war ebenso schlicht wie offensichtlich: Joy liebte ihre Familie . Sie hatte vielleicht andere politische Ansichten und andere Werte, aber dennoch liebte Joy ihre Familie. Jedes Mal, wenn sie Harve und Jill in Sacramento besuchten – was Griffin nur unter Protest tat –, passte sie sich vollkommen mühelos in die alten Familienroutinen ein und tanzte, umwuselt von kleinen Kindern, mit ihrer Mutter und ihren Schwestern ein komplexes Küchen- und Esszimmerballett, ganz zu schweigen davon, dass sie die Songs mitsang, die der Oldie-Sender brachte und über die sie sich in L.A. lustig gemacht hatten, während Griffin ins Wohnzimmer verbannt wurde, wo er sich mit Harve und den idiotischen Zwillingen Sportsendungen ansehen musste, die ihn nicht die Bohne interessierten.
    Vielleicht weil Jason und Jared Marines waren und ihr Vater sich so laut und aufbrausend gab, hatte es eine Weile gedauert, bis Griffin die Dynamik begriff, die knapp unter der Oberfläche dieser Familienzusammenkünfte wirkte: Es waren die Frauen, die den Kurs absteckten und die Entscheidungen trafen. Als Militärpolizisten setzten die Zwillinge Regeln durch, doch im Zivilleben hatten sie gelernt, auf Anweisungen zu warten, und für ihren Vater galt dasselbe. Wenn der Esstisch abgeräumt und das Geschirr gespült und verstaut waren, wurden die schrecklichen Spielbretter hervorgeholt – Monopoly , Cluedo und Life ; Scrabble wurde nicht gespielt, weil Griffin immer gewann – und die Männer gerufen, ganz gleich, ob die Sportsendung schon beendet war oder nicht. Sie grummelten natürlich, wie Männer es tun, und fragten, warum man sie nicht in Ruhe lasse, aber es wäre ihnen nie eingefallen, die Einladung abzulehnen, die sie, das musste man ihnen lassen, als Befehl erkannten. Über diesen zerkratzten, ausgebleichten Spielbrettern, von denen viele entlang dem Mittelfalz mit Klebeband zusammengehalten wurden, wurden all die alten Familiengeschichten, die sich oftmals in jenem alten Sommerhaus in Maine ereignet hatten, ausgewalzt und in einer Lautstärke vorgetragen, die den als Einzelkind aufgewachsenen Griffin auf der Suche nach Ruhe hinaus auf die Terrasse trieb, obgleich er genau wusste, dass ihn das snobistisch und reserviert erscheinen ließ.
    Am Ende dieser endlosen Besuche fand er im Autoradio immer einen Jazz-Sender für die Rückfahrt nach L.A. , während der er und Joy kaum etwas sagten. Es war nicht so sehr ein Schweigen wie nach einem Streit, sondern vielmehr etwas, das den simplen Wiedereintritt in die Welt begleitete. Die Fahrt dauerte lange, und das war vielleicht auch ganz gut so. Griffin spürte, dass Joy – widerwillig, schien ihm manchmal – eine bestimmte Gemütsverfassung ablegte und eine andere annahm, dass sie ein Leben mit einem anderen vertauschte. Das Schweigen konnte allerdings auch zu einem Streit führen. Bei einem Thanksgiving, das sie kurz nach ihrer Hochzeit bei Harve und Jill verbracht hatten, waren sie nach zahlreichen Brettspielen schließlich bei Zwanzig Fragen gelandet, und Joys Schwester Jane hatte fast eine Stunde lang sämtliche Mitspieler schier zum Wahnsinn getrieben, weil keiner erraten konnte, wer sie war. Harve hatte sich beharrlich geweigert aufzugeben, doch schließlich flehten alle anderen sie an, ihre fiktive Identität doch endlich preiszugeben, worauf sie gesagt hatte: »Grace Kelly in Marokko .«
    Als sie am Abend in die Garage ihrer Mietwohnung in Brentwood fuhren, kochte Joy noch immer vor Wut, weil Griffin, anstatt wie alle anderen über den Bock, den Jane geschossen hatte, zu lachen, ungläubig den Kopf geschüttelt hatte und dann aufgestanden und hinausgegangen war, als hätte sie diesen Fehler absichtlich oder gar böswillig gemacht und als besäße ein solcher Irrtum eine moralische

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