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Diese alte Sehnsucht Roman

Diese alte Sehnsucht Roman

Titel: Diese alte Sehnsucht Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Russo
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Komponente. Jetzt, vier Stunden später, stellte Griffin den Motor ab und wollte aussteigen, doch Joy blieb einfach sitzen. Als er fragte, ob sie die Nacht in der Garage verbringen wolle, sagte sie: »Ich hasse Jazz.«
    »Und das heißt?«
    »Das heißt, dass ich will, dass du weißt, dass ich Jazz hasse.«
    Später sagte sie ihm, das stimme eigentlich gar nicht. Sie möge Jazz. Sie habe nur aus irgendeinem Grund das Bedürfnis gehabt, ihm zu sagen, sie hasse Jazz. Irgendetwas sei über sie gekommen, sagte sie. Sie wisse nicht, was.

4
    DER SOMMER MIT DEN BROWNINGS
    Außer den Arbeiten seiner Studenten enthielt Griffins Aktentasche auch die lange, unvollendete Erzählung »Der Sommer mit den Brownings«; vergilbte, gewellte Seiten, noch aus vordigitaler Zeit. Ein paar Jahre nach ihrer Hochzeit war dies sein erster Versuch gewesen, einen Teil des Großen Truro-Traums zu verwirklichen und etwas anderes als ein Drehbuch zu schreiben. Er war auf sie gestoßen, als er seine Aktenschränke im College ausgemistet hatte, um Platz für ein paar Dinge zu schaffen, die er von seinem Vater geerbt hatte. Sein Vater hatte die letzten Jahre in einer engen, universitätseigenen Wohnung verbracht, in der die meisten Möbel nicht einmal ihm gehört. Es gab jede Menge Fachzeitschriften und Bücher, darunter auch ein Exemplar von Claudias Dissertation, erschienen in einem angesehenen Universitätsverlag und versehen mit einer stolzen Widmung. Griffin entdeckte den Namen seines Vaters auf der Seite mit den Danksagungen, wo auch die anderen Mitglieder des Promotionsausschusses genannt waren. Der glatte, steife Rücken des Buches deutete darauf hin, dass es nicht aufgeschlagen, geschweige denn gelesen worden war. Wenn sein Vater es tatsächlich geschrieben hatte, wie Griffins Mutter behauptete, brauchte er es natürlich nicht zu lesen. In einer leeren Rachegeste hatte Griffin es mitsamt dem ganzen Rest der Bibliothek seines Vaters verschenkt und als Andenken nur einige der Bücher von P. G. Wodehouse und Henry Miller behalten, die sein Vater auf Cape Cod gelesen hatte. Im hintersten Winkel einer dunklen Kammer hätte er beinahe das Dutzend Schuhkartons voller Anstecknadeln und Wahlslogans übersehen, die sein Vater weiterhin gesammelt hatte. Auch diese behielt er. »Ja, mach dich nur lustig«, hatte sein Vater, wie er sich erinnerte, zu seiner Mutter gesagt, wenn er wieder einmal an einem Flohmarkt gehalten hatte. »Eines Tages verkaufen wir die ganze Sammlung und machen eine Anzahlung auf ein Haus – dann wirst du nicht mehr lachen.«
    War sie irgendwas wert? Griffin hielt es für möglich und hatte sich vorgenommen, alles zu inventarisieren und schätzen zu lassen, aber dann hatte er die Kartons doch wieder ganz hinten in den Aktenschränken verstaut und seither nicht mehr an sie gedacht. Das einzige wirklich Überraschende in der Hinterlassenschaft seines Vaters waren ein paar Videokassetten mit Filmen, die Griffin und Tommy geschrieben hatten. Er konnte sich nicht erinnern, seinem Vater Videokassetten geschickt zu haben – hatte er sie sich selbst gekauft? Oder hatte sie ihm ein Kollege geschenkt, der seinen Namen im Nachspann entdeckt hatte? Hatte sich jemand die Filme angesehen, und wenn ja, wer?
    »Der Sommer mit den Brownings« hatte eine interessante Vorgeschichte. Die Drehbuchautoren waren in jenem Jahr wie so oft in Streik getreten, und er hatte die Pause genutzt und mit der Erzählung begonnen. »Du willst mich wohl verarschen?«, sagte Tommy, als er ihm davon erzählte. Warum nicht lieber einen Entwurf schreiben, wie jeder andere Drehbuchautor es tun würde? Dann hätten sie wenigstens was in der Hand, wenn der Streik vorüber war. Dann wären sie mal am Drücker, anstatt gezwungen zu sein, den erstbesten Mist anzunehmen, der ihnen angeboten wurde. Griffin sagte, er solle ruhig schon mal anfangen, wusste aber, dass Tommy das nicht tun würde. Er war darauf angewiesen, dass Griffin die allgemeine Richtung vorgab, und hätte, auf sich allein gestellt, nicht gewusst, wo er anfangen sollte.
    Die Geschichte spielte in dem Sommer, als er etwa zwölf gewesen war. Er und seine Eltern waren wie immer aufs Cape gefahren. Er wusste nicht mehr, wo sie gewohnt hatten, aber sie waren nur zwei Wochen geblieben, was bedeutete, dass sie nicht viel Geld hatten. Das winzige, mit Schindeln verkleidete Haus (Möchte ich nicht geschenkt haben!) stand abseits der Straße in einem Kiefernwäldchen mit acht oder zehn anderen im Halbkreis um einen

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