Diese alte Sehnsucht Roman
sei und ob er eine Freundin habe. Am Abend war seine Antwort da: gut, gut, nein. Aber er habe sich sehr gefreut, von ihr zu hören. Ja, Kelsey habe ihm ihre Adresse gegeben, aber er sei sich nicht sicher gewesen, ob sie sich nach so vielen Jahren überhaupt an ihn erinnern könne. Doch da sie so freundlich gewesen sei, ihm zu schreiben – würde es ihr etwas ausmachen, wenn er ihr bei Gelegenheit und nicht zu oft eine E-Mail schickte? Er wisse natürlich, wie sehr sie eingepannt sei, und natürlich sei sie in keiner Weise verpflichtet, ihm zu antworten.
»Ausgezeichnet!«, sagte Kelsey, als Laura ihr davon erzählte. »Jetzt hast du ihn, das ist nur fair. Ich bin mit ihm ausgegangen. Das ist das Mindeste, was du tun kannst.«
Und so entwickelte sich ein Briefwechsel zwischen den beiden. Alle paar Wochen erhielt Laura eine E-Mail mit allen Neuigkeiten und wartete einige Tage mit der Antwort, denn sie wollte ihm nicht einen falschen Eindruck vermitteln, auch wenn sie tatsächlich gern Geschichten von seiner Familie, seinen Seminaren und seinen Teilzeitjobs hörte. Nach und nach lernte sie, zwischen den Zeilen zu lesen und seine Bescheidenheit (Sunnys Leistungen waren nicht »ganz gut«, sondern hervorragend), seinen Optimismus (seinem Vater würde es nicht »bald besser«, sondern immer schlechter gehen) und seinen Stoizismus einzuschätzen (er war mit einigen seiner Professoren befreundet, was bedeutete, dass er keine anderen Freunde hatte). In seinem Jahrgang gab es viele attraktive und intelligente Mädchen, aber die meisten hatten einen festen Freund, und außerdem hatte seine Mutter beschlossen, dass er, wenn es so weit war, eine Koreanerin heiraten und nach Amerika bringen würde. Zu genau diesem Zweck hielt sie den Kontakt zu befreundeten Familien in der Heimat aufrecht, deren Töchter etwa so alt waren wie Sunny. Er hielt nicht viel von diesem Plan, aber solange er nicht eine Frau liebte, die diese Liebe erwiderte, sah er keinen Grund, seine Mutter unglücklich zu machen, indem er sich weigerte, eine koreanische Ehefrau in Erwägung zu ziehen.
Lauras E-Mails an Sunny waren weniger vorsichtig formuliert. Es gefiel ihr auf dem College, und das Studium lief gut, doch sie vertraute ihm an, dass ihre Freundschaft mit Kelsey gerade in einer schwierigen Phase stecke. Ursprünglich hatte Kelsey vorgeschlagen, sie sollten zusammenwohnen, und sie war gekränkt gewesen, als Laura, für die die Anwesenheit von Kelsey in Skidmore noch immer etwas zwiespältig war, gesagt hatte, sie sollten vielleicht lieber neue Leute kennenlernen. Zu ihrer Überraschung war Kelsey jedoch wesentlich kontaktfreudiger als sie selbst und hatte am Ende des Semesters nicht nur einen neuen Freund, sondern auch beschlossen, sich um die Aufnahme in einer Studentinnenverbindung zu bewerben. Laura begann zu begreifen, dass jetzt sie es war, die sich an ihre Freundin klammerte. Kelsey fragte sie zu Beginn des Frühjahrssemesters, ob sie nicht auch in die Verbindung eintreten wolle, und Laura sagte, das habe sie nicht vor, aber als Kelsey nur die Schultern zuckte und sagte: »Gut«, beschlich sie der Verdacht, ihre Freundin sei womöglich erleichtert.
Laura gestand Sunny auch, dass sie noch immer in Jonathan verliebt war, der inzwischen allerdings an einem College im Mittelwesten studierte. Schlimmer noch: Sein Vater hatte ein Buch geschrieben, das gut aufgenommen worden war und ihm einen Posten an einer sehr renommierten Universität eingebracht hatte, und daher war die Familie umgezogen, sodass sie Jonathan nicht einmal in den Freien sehen würde. Die meisten Studenten in Skidmore waren reiche Großstadtschnösel, die sich in erster Linie für das Trinken interessierten und keinen Grund sahen, Zeit für eine Frau zu verschwenden, die sie nicht ranließ – nicht wenn es genug andere gab, die weniger Skrupel hatten. Kelsey hat Glück, dich als Freundin zu haben , schrieb Sunny zurück. Und du hast recht, wenn du diesem Druck nicht nachgibst. Dafür bist du zu besonders . Es machte ihr ein schlechtes Gewissen, ihren Liebeskummer vor einem Mann auszubreiten, der, wie sie vermutete, selbst Liebeskummer wegen ihr hatte.
So gern Sunny lange E-Mails schrieb – mit Chats konnte er nichts anfangen. Die meisten ihrer Freundinnen, besonders Kelsey, saßen jeden Abend mit Dutzenden über das ganze Land verteilten Freundinnen im Chat. Laura wollte sich nicht allzu sehr daran gewöhnen und ging nur an den Wochenenden online. Sunny fand ebenfalls, chatten
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