Diese Dinge geschehen nicht einfach so
Bewegung und Gemurmel, die Hektik und das Geplapper, ein Fluss, der ausgetrocknet war, während sie weinte. Sie war noch da. Ein Überbleibsel, so unübersehbar allein wie ein Gegenstand, den jemand nachts am Strand zurückgelassen hat. Plötzlich war sie sich der Stille bewusst, der Neuheit und der Fremdheit, der
Klang
ihrer Einsamkeit, klar, absolut.
Seltsam war diese Stille, die Abwesenheit der anderen an diesem Morgen – und genauso seltsam ist das, was sie jetzt fühlt. Dass sie nicht allein ist. Sie steht im Flur zwischen zwei Schlafzimmern und spürt sie alle, still, vielleicht schon eingeschlafen. Sie lacht leise über das Gefühl. So ganz traut sie ihm nicht. Sie geht zurück in die Küche. Hat sie irgendetwas vergessen? Sie macht das Radio aus, um Sadie nicht aufzuwecken, die Wände des großen Schlafzimmers sind so dünn. Sonst noch etwas? Der Anruf von Benson, der zum Abendessen kommen will. Amina sollte das
egusi
um vier Uhr vorbereiten.
Es gibt nichts, was getan werden müsste.
Ihr bleibt nichts anderes übrig als zu denken.
Sie geht zurück zu ihrem Liegestuhl im Garten, um zu rauchen.
Es ist dumm, das weiß sie, es in ihrem Alter ernsthaft anzusprechen und dadurch zuzulassen, dass es sich in einen vollständig ausformulierten Gedanken verwandelt, aber andererseits nimmt es sowieso Form an. Sie denkt:
Ich bin einsam
, und lacht überrascht, weil ihr die Tränen kommen. Eigentlich sollte es ja keine so schockierende Erkenntnis sein, es ist doch offensichtlich, aber weh tut es trotzdem. Ein dumpfer Schmerz, wie Hunger, ein Hunger nach einem Geschmack, den sie fast vergessen hat.
Fast, aber nicht ganz.
Sie schließt die Augen, schlingt einen Arm um sich, während sie den Rauch in die Luft bläst, der Geschmack des Zusammenseins vermischt sich mit Nikotin, und da ist der Schmerz des Glücks, die Freude darüber, sie alle zu Hause zu haben.
Vier
Abendessen. Sie rücken Stühle um den Tisch – die Stimmung verändert sich, jeder spürt das Gewicht, weil der Grund, warum sie hier sind, jetzt für alle greifbar wird, da sie sich so förmlich versammeln, ein Kollektiv, verbunden in kollektiver Trauer, in Gedanken, die während langer Phasen des Schweigens aufblühen, gesenkte Blicke und Momente der Befangenheit, verkleidet als Höflichkeit – bis jemand kommt.
Die Klingel, aus dem Nichts, ein Geräusch, das nicht passt; selbst Fola weiß nicht mehr, dass sie einen Gast erwartet. Alle halten inne, die Hände an den Stuhlbeinen, und warten darauf, dass jemand etwas sagt.
»Madame«, sagt Amina. Sie steht auf den drei Stufen zwischen Ess- und Arbeitszimmer. »Entschuldigung, ein Gast.«
»Wer ist es?«
»Ein Herr, bitte.«
»Wo ist er?«
»Draußen, bitte.«
»Um Himmels willen, führen Sie ihn doch wenigstens herein.« Aber Fola hat nie Besuch bekommen, seit sie in Ghana ist, und weiß, dass die Bediensteten noch keine Verhaltensregeln kennen. Sie ist immer noch verwundert, wenn sie an den Vormittag denkt, wie sie sich alle bemüht haben, wie sie eine bisher unbekannte Aktivität an den Tag legten, ohne Fragen zu stellen, sobald die Autos ankamen. Fünf Fremde und sie, Fola (immer noch die Fremdeste von allen). Vielleicht gefällt es ihnen besser, wenn das Haus voll ist, als wenn nur sie allein da ist, in Shorts und mit ihrer Heckenschere? »Kommen Sie«, sagt sie freundlich und begleitet Amina. Benson wartet draußen vor der Eingangstür.
Mit einer Flasche und mit Blumen. »Mein Beileid«, murmelt er und geht auf sie zu, um sie zu umarmen.
Schon weicht sie zurück. Die samtene Bassstimme und der Geruch von schwarzer Seife und Eau de Toilette – das ist zu viel, zu vertraut, eine Welle steigt auf, verebbt. Sie hält sich am Türrahmen fest, dann winkt sie lachend ab. »Es geht mir gut, wirklich, alles bestens. Bitte.
Vielen
Dank und herzlich willkommen.« Sie nimmt die Blumen, um einen weiteren Umarmungsversuch zu unterbinden, »Wir wollten gerade anfangen zu essen.«
»Störe ich? In Ghana gilt es als sehr unhöflich, wenn man zu früh kommt.«
»Gott sei Dank. Sechs ist eine unzivilisierte Zeit für ein Abendessen, ich weiß, aber mit …«
»Jetlag …«
»Genau«
»Ja, natürlich.« Er schluckt heftig. Nickt. »Und die Kinder?«
»Kaum noch Kinder.« Sie lacht. »Sie sind alle hier, wir sind alle hier, durch das Arbeitszimmer.« Er folgt ihr dorthin, wo sie alle stehen, die Hände jetzt auf dem Tisch, die Blicke auf seinem Gesicht. »Kinder – das ist Benson. Eine Freund
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