Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Titel: Diese Dinge geschehen nicht einfach so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taiye Selasi
Vom Netzwerk:
vergessen? Das gehört zu den Sachen, die eine Ehefrau
anbietet.
«
    »Bitte nicht, Ling. Tu das nicht.«
    »Tu was nicht, bitte?« Lädt nach.
    »Wir haben gesagt, es ändert sich nichts. Keine anderen Namen, keine Ringe.« Er reibt sich die Stirn. Wollte das alles gar nicht sagen und versucht jetzt, es zu erklären. »Wir sind immer noch dieselben Menschen wie vorher. Du hast gerade gesagt, ›du bist mein Ehemann‹ …«
    »Bist du ja auch.«
    »Weiß ich doch. Aber wir haben gesagt, es ist nicht wichtig, es ändert nichts zwischen uns. Diese Bezeichnungen, Ehemann, Ehefrau, das sind doch nur Wörter, kein Auftrag …« Er unterbricht sich, fasst sich an den Kopf. »Ich weiß auch nicht, was ich sagen will.«
    »Ich glaube, du weißt es ganz genau, Olu.« Sie schüttelt schnell den Kopf. »Ich werde nicht mitkommen nach Ghana.«
    Gequält schaut er sie an. »Ich möchte mit meiner Familie gehen.«
    »Ich dachte,
ich
bin deine Familie.«
    »Nein«, erwidert er verzweifelt. »Du bist etwas Besseres.« Er schließt die Augen ganz fest, um den Strom der Tränen wegzudrücken. Er spürt Lings kleine Hände seitlich auf seinen Wangen. Ihre Lippen auf seinen, dann der Geschmack ihrer Zahncreme. Dann ihr Geruch, Jergens, Chanel N°  5 . »Ling«, sagt er, mit brüchiger Stimme. Er will sie immer noch nicht berühren. Sie umfasst sanft seinen Kopf, und er lässt sie gewähren. »Ich will keine Familie sein«, ein mutloses Flüstern, wie ein Kind, erschöpft:
Ich will nicht ins Bett
. »Ich will keine Familie. Ich habe mir noch nie eine gewünscht. Ich will, dass wir etwas Besseres sind als eine Familie.«
    Das Telefon in der Tasche seines OP -Kittels fängt plötzlich an zu klingeln. Erst ignoriert er es, weil er sich nicht bewegen will. Am liebsten würde er immer so sitzen bleiben, in dieser Haltung, sein Kopf an ihrem Brustbein, ihre Hände auf seinen Wangen, in einem engen, kleinen Raum, zum Beispiel in einem Badezimmer.
    »Willst du nicht rangehen«, sagt sie sanft, ohne Fragezeichen.
    Er holt das Telefon aus der Tasche und meldet sich, ohne auf das Display zu schauen. »Hallo, hier ist Olu.«
    »Ich bin’s. Kehinde.«
    »…«, schockiert.
    »Kehinde. Dein Bruder.«
    »Ich weiß, wer du bist.« Olu grinst. Das ist gelogen. Er weiß es nicht, hat es noch nie gewusst. Er kennt Kehinde nicht richtig, hat nie kapiert, wie er es schafft, sich so locker zwischen allem zu bewegen, als würde ihn nichts wirklich tangieren. Dass er auf diese Weise irgendwie ein erstaunlich erfolgreicher Künstler werden konnte, verwirrt Olu nur noch mehr. Aber er lächelt. »Da bist du also.« Die weiche Stimme seines Bruders, sein weiches Lachen, ganz ähnlich wie das seiner Mutter, wirkt irgendwie tröstlich und besänftigend. »Wo bist du?«
    »In Brooklyn. Sadie und Taiwo sind auch hier.«
    »…« Noch schockierter.
    »Hörst du mich?«
    »Klar höre ich dich«, sagt Olu. Er blinzelt, versucht zu begreifen. »Soll das heißen, ihr seid alle zusammen?«
    Woraufhin Kehinde erst einmal schweigt. Dann antwortet er: »Ja, wir sind alle hier.«
    »Also, wegen morgen«, sagt Olu. »Wir treffen euch am Konsulat, holen unsere Eil-Visa ab, essen was zu Mittag und gehen dann direkt zum Flughafen.«
    »Wer ist ›wir‹?«
    »Ling und ich. Wir kommen beide«, sagt er.
    Ling küsst ihn auf die Stirn, ihre Tränen auf seinem Gesicht.
    »Ich bin froh.«
    »Ich rufe jetzt Mom an und sage ihr, dass wir alle kommen.«
    »Gut, Danke.«
    »Kein Problem.«
    »Bis morgen.«
    »Bis dann.«

Acht
    Fola sitzt rauchend am Rand des Rasens in einem Liegestuhl, den sie unter einer Palmyrapalme in den Schatten gestellt hat. Sie weiß, dass sie nicht rauchen sollte – immerhin war sie mit einem Arzt verheiratet und hat einen Arzt großgezogen, sie weiß, dass es, bestenfalls,
dumm
ist –, aber sie pafft mit Genuss, es ist ein Akt des Widerstands oder der Akzeptanz, passend zum Rätsel des Todes. Dinge zu tun oder nicht zu tun, nur um länger zu leben, als könnte man Langlebigkeit durch vorbildliche Gesundheit erkaufen –
das
ist dumm, denkt sie. Veganische Nichtraucher können genauso gut von Irrläufern oder von Autos erwischt werden, oder?
    Das Hauspersonal arbeitet, und alle ignorieren sie scheinbar. Mr Ghartey ist an seinem Platz bei dem großen Eisentor, und das Housegirl Amina wäscht in einem Bottich die Wäsche, der Houseboy, der kleine Mustafah, wäscht das Auto in der Einfahrt. Als sie hierher gekommen ist, gab es einen Fahrer, Bruder Joshua,

Weitere Kostenlose Bücher