Diese Dinge geschehen nicht einfach so
hatte, derjenige, der im Licht des Sonnenuntergangs aus einer Einfahrt herausgefahren war, während sie ihn vom Fenster aus beobachtete, unsichtbar im Dunkeln, nachdem sie mit dem Licht gespielt hatte, um Kehinde hereinzurufen – an, aus, dann wieder an: gerade dunkel genug, um ins Auto hinein sehen zu können, das Gesicht des Mannes hinter der Windschutzscheibe, die schmalen Augen noch schmaler, trotzig, dann doch voller Tränen, aber entschlossen.
Er wird es auch erfahren
, dachte sie, während sie still da saß, wie man am Strand sitzt – die Knie angezogen und das Kinn auf die Knie gestützt, mit der Brise in den Haaren, das Salz der Tränen vom Geschmack her nicht zu unterscheiden vom Salz der Brise. Sie würde ihn finden und es ihm sagen. Er war irgendwo in Ghana (wie Olu sagt); sie würde hingehen und warten. Sie würde auf seiner Treppe sitzen, wenn er von der Arbeit nach Hause kam, in einem Volvo, versteht sich, wenn die Sonne schon längst dabei ist unterzugehen. Er würde sie von der Einfahrt aus sehen und den Wagen zum Halten bringen, mit diesem Ausdruck auf dem Gesicht wie bei Szenen in den entsprechenden Filmen, wenn ein Mann, der auf der Flucht ist, vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause kommt und ein Hitman ihn erwartet, ohne sich zu verstecken – der Hitman sitzt einfach da, nicht zu übersehen, und wartet, die Stiefel auf dem Geländer und eine Knarre in den Stiefeln, so dass der Mann in der Einfahrt sie sehen kann. Genau so. Er würde anhalten, den Motor abstellen und sie vom Auto aus anstarren, ihre Blicke würden sich begegnen, ihr Blick unverwandt, seine Augen feucht, denn er würde ihr ansehen, dass ein Licht erloschen war, und ohne Worte wüsste er, dass seine Tochter tot war, dass das Mädchen, das er in einer Straße in Nordamerika zurückgelassen hatte, nicht dieselbe war, die jetzt auf dieser Treppe in Westafrika saß, die Stiefel auf dem Geländer und eine Pistole in den Stiefeln; er wüsste, dass sie gestorben war, weil keiner sie gerettet hat. Ja, genau. Sie wollte das Studium abbrechen und als Bedienung die tausend-und-paar-zerquetschte Dollar verdienen, um nach Accra zu fliegen (obwohl sie eigentlich gegen die Ungerechtigkeit dieser Preise rebellierte, eine Beleidigung für alle Immigranten, die Preise für einen Flug nach Osten). Damit auch er litt, weil er zu schwach gewesen war, irgendetwas zu unternehmen, um sie zu retten.
Oder besser gesagt: So hatte sie es geplant.
Sie hätte früher kommen müssen.
Sie muss lachen, als sie nun hinausblickt auf die Straßen von Accra. Zwei Jahre lang hatte sie sich den Ausdruck auf seinem Gesicht vorgestellt. Nun ist sie hier, und ihr Vater ist weg.
5
Er sitzt mit dem Gesicht zum Fenster, Taiwo den Rücken zugewandt, schaut hinaus auf die Straße, die vom Flughafen wegführt, schaut auf Accra, irgendwie anders, als er erwartet hat, nicht wie Mali oder Lagos, weniger Glamour, mehr Ordnung. Eine Vorstadt, viel Staub. Da sind die typischen Dinge, die afrikanischen Dinge, Händler am Straßenrand, die Farbe der Gebäude das gleiche verblasste Beige wie die Luft und das Laub, die bunt gemusterten Stoffe, die nie fertigen Baustellen (Apartments, Hotels), bei denen man das Gefühl bekommt, hier würde bis in alle Ewigkeit ein Haus renoviert, die Arbeiter in der Mittagspause, die neue Farbe blättert schon ab und verblasst in der Sonne, als wäre es eigentlich nie wichtig gewesen, welche Farbe das Haus hat, gestapelte Zementblöcke, wie Soldaten, die Befehle erwarten, Stahl, schlafende Maschinen, die das Grün unterbrechen.
Das kennt er.
Was ihn verblüfft, ist die Bewegung, weder lethargisch noch hektisch, ein mittleres Tempo, nichts von der Altertümlichkeit Malis und auch nichts vom Ehrgeiz Nigerias, einfach eine ständige Bewegung, deren Ziel er nicht kennt. Da sind die gleichen riesigen grünen Highway-Schilder wie überall auf der Welt, als Beweis für »Entwicklung«. Als würde die Entwicklung eines Landes bedeuten, dass man es in Kalifornien verwandelt: Supermärkte, SUV s, Palmen, Smog und so weiter. Kinder in T-Shirts, auf denen die Gesichter von Rap-Stars abgebildet sind, kommen zum Taxi gerannt, um ihre Ware anzupreisen: importierte Äpfel, PK -Kaugummis, Bananen, Tageszeitungen, Massage-Schwämme, Streichhölzer. Die Sachen locken fröhlich mit leuchtenden Primärfarben, importiert aus China, Südafrika, alles Plastik, sämtliche Variationen von Plastik und Zellophan und Verpackungsmaterial, als hätten die Armen nichts
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