Diese eine Nacht mit dir
hierlassen und mich von jetzt an besser kleiden, dachte Gypsy wütend. Und außerdem teilte er ihr damit mit, dass er sie bei öffentlichen Auftritten an seiner Seite sehen wollte …
Während des Starts saß Lola auf ihrem Schoß. Gypsy warf Rico einen Blick zu, aber der war in irgendwelche Akten vertieft. Das scharfe Profil mit der leicht gebogenen Nase verlieh ihm wie immer etwas Gefährliches. Gypsy unterdrückte einen Seufzer und blickte aus dem Fenster. Unter ihnen verschwand England. Sie hatte das Gefühl, langsam, aber unerbittlich wie in einem Netz gefangen zu werden.
Ein paar Stunden später lag Lola gefüttert und frisch gewickelt auf dem Sitz neben Gypsy. Zuvor hatte sie ausgiebig das ganze Flugzeug erforscht. Vom Sicherheitsgurt gehalten, den Daumen fest im Mund, schlief sie tief.
Gypsy sah von Lola zu Rico und errötete, weil sie ihn dabei ertappte, wie er sie unverwandt anblickte. „Erwartest du, dass wir als eine Art … Paar in der Öffentlichkeit auftreten?“, fragte sie.
„Ich teilte der Presse mit, dass wir zusammen sind. Natürlich will ich dich dann auch an meiner Seite haben. Ich brauche eine Begleiterin in der Öffentlichkeit. In letzter Zeit hatte ich niemanden.“
Gypsys Herz schlug schneller. Um es zu überspielen, fragte sie süffisant: „Eignete sich die Rothaarige nicht für solche Pflichten?“
Rico lächelte. Mit einem Mal sah er um Jahre jünger aus. So wunderbar unbekümmert! Du lieber Gott, dachte Gypsy und erinnerte sich daran, wie er sie bei ihrer ersten Begegnung angelächelt hatte.
„Sie scheint dich ja außerordentlich zu interessieren.“
Gypsy ließ ein nicht gerade sehr damenhaftes, abfälliges Prusten hören. Hatte er jetzt mit dieser Frau geschlafen oder nicht? Sie hasste sich dafür, dass sie es wissen wollte. Und dass es ihr etwas ausmachen würde, wenn er es getan hatte. Heimlich ballte sie die Hände zu Fäusten und grub die Nägel in die Handflächen.
„Sie interessiert mich nicht im Geringsten“, log sie. „Ich möchte nur gerne wissen, welche Rolle ich in den Augen der Öffentlichkeit spiele, wenn ich mich mit dir zeige.“
„Ich würde mal sagen, die Rolle der Mutter meines Kindes und der Frau, die das Bett mit mir teilt. Und falls es dich beruhigt, ich habe an jenem Abend nicht mit der Rothaarigen geschlafen. Das Wiedersehen mit dir machte mich impotent.“
Gypsy wurde feuerrot und verkniff sich eine Antwort. „Ich denke nicht daran, mit dir ins Bett zu gehen“, zischte sie ihn an.
Achselzuckend wandte er sich wieder seinen Akten zu. „Wir beide wissen doch, dass ich dich bloß zu küssen brauche, und du liegst innerhalb von Minuten in meinen Armen. Aber aus Rücksicht auf unsere Tochter verzichte ich darauf, es dir hier und jetzt zu beweisen.“
Gypsy schluckte die passende Antwort lieber hinunter. Aber die Vorstellung, dass Rico an ihren Sitz trat, sie in die Arme nahm und küsste, sie hochhob und zum Bett trug, das etwas weiter hinten stand, war einfach übermächtig. Vor ihrem inneren Auge sah sie ineinander verschlungene Glieder, olivfarbene Haut, die sich von heller Haut abhob …
Was war nur los mit ihr? Hastig öffnete sie den Gurt und ging in den Waschraum. Nachdem sie die Tür abgeschlossen und sich Wasser ins Gesicht gespritzt hatte, ging ihr Puls fast wieder normal. Mit großen Augen betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel. Sie befürchtete, ihre ganze kostbare Verteidigungsstrategie könnte zusammenbrechen, wenn sie mit Rico schlief. Er hatte bereits so viel Macht über sie. Viel zu viel Macht. Und wenn er erst einmal mit ihr geschlafen hätte, würde er sie ganz besitzen.
Sie war zu jung gewesen, um sich gegen ihren machtbesessenen Vater zu wehren. Er hatte versucht, sie zu brechen, sie zu einem Menschen zu machen, der sie nicht war. Das konnte sie einfach nicht vergessen. Zu ihrem und Lolas Schutz musste sie sich gegen Rico wehren. Sie musste es.
Ein sanftes Schütteln weckte Gypsy. Sie öffnete die Augen und sah in Lolas große graue Augen, die sie anschauten. Und in die von Rico. Sofort war sie hellwach und richtete sich auf.
Lola lächelte sie an. Ihre kleinen weißen Zähne blitzten. „Mama … fliegen!“
Sie lernte jetzt jeden Tag neue Wörter. Meistens wiederholte sie alles, was man zu ihr sagte. Offensichtlich hatte Rico sich um Lola gekümmert, nachdem sie aufgewacht war. Und er hatte Gypsy beim Schlafen zugesehen. Gypsy griff automatisch nach ihrer Tochter, aber Rico nahm das Kind und setzte es auf seinen
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