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Diese eine Woche im November (German Edition)

Diese eine Woche im November (German Edition)

Titel: Diese eine Woche im November (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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die Hausmauern hoch. Nirgends Licht, nirgendwo beugt sich einer ins Freie. Vorsichtig nähert er sich dem Gekrümmten.
    » Signore « , sagt er leise.
    Das Gesicht des Verwundeten wendet sich ihm zu, Schmerz und Angst spiegeln sich darin. » Wer bist du? «
    » Ich helfe Ihnen. « Tonio will ihm die Hand geben. Da sieht er es. Der Mann verhüllt die Wunde rasch mit dem Mantel. Tonio verbeißt den Schreck und packt ihn an den Schultern. » Sie müssen ins Krankenhaus. Wir verständigen die Polizei. «
    » Keine Polizei! « Durch die Brille starrt der Mann ihn an. » Lass mich. « Er steht auf.
    » Sie können nicht allein … «
    Der Schmerz verzerrt seine Züge. » Hast du alles gesehen? «
    Tonio nickt.
    » Keine Polizei, hörst du? Du hast nichts gesehen, gar nichts! «
    » Ich könnte bezeugen, was die mit Ihnen gemacht haben. «
    Mit der gesunden Hand fasst der Mann in die Manteltasche. » Hier. Da hast du Geld. Halt den Mund. Vergiss alles! «
    » Weshalb? « Tonio nimmt es nicht.
    » Meine Familie « , antwortet der Mann. » Wird die Polizei eingeschaltet, holt er meine Familie. «
    » Wer? «
    Der Verwundete wirft das Geld aufs Pflaster und läuft los. Er stolpert, kann sich gerade noch aufrecht halten, den verletzten Arm hat er an den Leib gepresst. Das Gitter quietscht, er ist verschwunden.
    Tonio steht auf dem verlassenen Hof. Dort liegt etwas, heller als das Pflaster. Der Hut des kleinen Mannes. Tonio hebt ihn auf. Ein teurer Hut, von einem guten Hutmacher angefertigt. Tonios Blick fällt auf den Brunnen. Etwas Dunkles rinnt über den Stein.

4

    R inaldo braucht einen großen Screen, einen richtig großen Screen sogar. Das Hologramm erfüllt den ganzen Raum, 5 Meter hoch und 16 Meter breit. Er selbst hat es entwickelt. Auf drei Kontinenten wurde das Multi-View-Modell gebaut, die Einzelteile kamen aus aller Herren Länder nach Venedig. Niemand kann ihn als Auftraggeber zurückverfolgen.
    Dieser Mann nennt sich Rinaldo, dabei sieht er gar nicht wie ein Italiener aus. Sein Haar war blond, jetzt ist es weiß, es fällt ihm auf die Schultern. Er hat helle Augen, Polarwolf sagten sie daheim zu ihm. Seine Nase erzählt die Geschichte vieler Kämpfe, sie wurde oft gebrochen. Rinaldo stammt aus einer einsamen Gegend im Norden, deren Landschaft noch in ihm lebt, obwohl er sich schon vor langer Zeit in Venedig niederließ.
    Seine Finger bedienen das Tablet, als ob sie die Arbeit auch ohne ihren Herrn verrichten könnten. Vor der holografischen Kulisse geht er auf und ab. Dutzende Prozesse sind gleichzeitig im Gang. Gerade bewegt sich Rinaldo in der Welt der Banken, er schwimmt auf den internationalen Strömen des Geldes. Sein Swimmingpool ist die Industrial Bank of China. Der Deal lockt weltweit Börsenhaie an. Sie kommen geschwommen, weil sie von dem großen Brocken fressen wollen, den der Weißhaarige ihnen hinwirft. Rinaldo streut das Gerücht, dass im Fernen Osten eine Neuentwicklung für integrierte Schaltkreise auf den Markt kommt. Er erwähnt den Kupferpreis in Russland. Er bringt ein restriktives Börsengesetz ins Spiel. Auf den ersten Blick stehen die Ereignisse in keinem Zusammenhang. Doch ein gewiefter Spekulant verbindet sie und schlägt Kapital daraus. Rinaldo hat die Haie scharfgemacht. Sie schnappen zu. Sie investieren, weltweit Milliarden.
    Es gibt keinen großen Deal. Rinaldo blufft nur. Er zockt ab jetzt gegen seine eigene Prognose. Er dreht den allgemeinen Markttrend um. Ein paar Schnittstellen noch, ein paar Sekunden, dann wird der ganze Deal zusammenbrechen.
    Das System gibt Alarm. Rinaldo kriegt Besuch. Hier darf nur herein, wer drei Codes richtig eingibt. Er holt die Überwachungsbilder auf den Screen. Tonio nähert sich dem Hauptquartier. Vor dem verdeckten Display schaut er sich um, erst dann tippt er die Ziffern ein. Die Stahltür springt einen Spaltbreit auf, er schlüpft hinein. Im alten Elektrokasten hinter dem Eingang verbirgt sich die nächste Sicherheitskontrolle. Tonio legt den Daumen auf den Scanner, der Laser gleitet über seinen Fingerabdruck. Vor ihm hebt sich das Gitter. Er steigt in den Fahrstuhl und beugt sich vor das unsichtbare Mikrofon. » Antonio Greco « , sagt er deutlich. Der Stimmendetektor gibt den Mechanismus frei, der Lastenaufzug setzt sich in Bewegung.
    Rinaldo beendet seine Transaktion. Die Blase ist geplatzt. Das Geld verschwindet im Ozean der Weltgeschäfte. Ab heute könnte es ein paar Haie weniger geben. Es gibt immer noch zu viele. Er lässt die Grafiken und

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