Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diese eine Woche im November (German Edition)

Diese eine Woche im November (German Edition)

Titel: Diese eine Woche im November (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
Vom Netzwerk:
erhofft. « Er will seine Hände zurückziehen, Eleonora hält sie fest. » Wirst du stark sein, mein Liebster? «
    » Solange du bei mir bist. «
    Eleonora küsst den Mann, den sie zu dem gemacht hat, was er ist. Kein starker Mensch, kein großer Führer, nur einer, der zur rechten Zeit den richtigen Namen trägt. » Lass uns gehen. «
    Er schließt den Koffer.
    » Und das Wasser? « Sie wendet sich zum Ausgang.
    » Ich werde ihm höchstpersönlich den Zugang bahnen. « Corniani händigt ihr den Koffer aus und tritt an die Geheimtür. » Erwarte mich im Boot. «
    Er bedient den Mechanismus, der Marmor gleitet zur Seite. Der Trucido betritt den versteckten Korridor, den so mancher Corniani vor ihm benutzt hat. Manchmal diente der Weg zur Flucht, ein anderes Mal wurde eine schöne Frau ungesehen ins Innere der Gemächer gebracht. Er ist der Letzte, der diesen Gang benutzt. Die Lichter an den Wänden werden für immer erlöschen, die Schlüssel werden nichts mehr versperren. Kein geheimer Gast wird die Cornianis auf diesem Weg besuchen. Politiker waren darunter, Verschwörer, sogar Päpste. Das sagenumwobene Haus wird untergehen. Nachdem es 400 Jahre überstanden hat, versank es im letzten Jahrhundert immer schneller. Die Eichenstämme sackten in den Untergrund ein, die Pfähle verrotteten, das Haus neigte sich zur Seite.
    Marcantonio erreicht die Wendeltreppe und gelangt nach unten. Hier steht das Wasser knietief. Am Ende des Ganges hat Sandro den Sprengsatz angebracht. Fünf Ladungen, die sternförmig mit dem Zünder verbunden sind.
    Marcantonio tritt davor. » Ein Corniani hat den Palast erbaut, ein Corniani wird ihn auch zum Einsturz bringen. « Er aktiviert den Zünder.
    Unter dem Saal, den er bis vor Kurzem bewohnt hat, läuft er ans andere Ende des Hauses. Das Wasser erschwert seinen Weg. Er setzt die zweite Sprengladung in Gang. Die Zünder sind auf fünf Minuten eingestellt. Er hastet zur Treppe, nimmt mehrere Stufen auf einmal. Er stößt die Flügeltüren auf und rennt. Wie groß das Haus ist! Die Vorzimmer, die Korridore, dort hinten ist die letzte Tür. Sie klemmt. Er wirft sich mit der Schulter dagegen – und atmet auf.
    Dort liegt das Boot, Eleonora erwartet ihn. Corniani ergreift ihre ausgestreckte Hand und springt an Bord. Sie legen ab, langsam passieren sie die Durchfahrt. Unhörbar gleiten sie durch das nebelverhüllte Wasser. Marcantonio dreht sich nicht mehr um.
    In der Tiefe seines Hauses läuft die Uhr ab. Der erste Sprengsatz zündet. Er reißt ein Loch in eine Mauer, die seit Jahrhunderten standhielt. Wasser dringt ein. Nicht brüllend, vernichtend, doch unaufhaltsam. Der Schwall ergießt sich in den Korridor und in den Raum, wo Herbert Reichelt auf die Rückkehr seiner Tochter hoffte. Die zweite Zündung vernichtet eine Mauer im Kern. Kein Einsturz ist die Folge, doch was sich bisher in winzigen Schritten vollzog, passiert nun schneller, immer schneller. Das Wasser steigt. Es fließt über Marmorböden, leckt an den Beinen von Tischen und Stühlen. Neugierig erkundet es das alte Haus.
    Während der Palazzo der Cornianis im Inneren erzittert, verschwindet das Boot des Trucido durch die Kanäle. Kurz darauf erreicht es die Ausfahrt in den Canale Grande und nimmt Fahrt auf. Obwohl Corniani fröstelt, setzt er sich an Deck. Unter ihm, in einer engen Koje, hat Herbert Reichelt sein neues Gefängnis gefunden. Ein Streifen Klebeband verschließt ihm den Mund. Über dem Kopf trägt er einen schwarzen Sack, der ihn kaum atmen lässt. Er weiß nicht, wo es hingeht, er ist verzweifelter als je zuvor.
    Eleonora steht am Bug des Bootes und schaut nach vorn. Der Nebelwind spielt mit ihrem Kopftuch. Corniani betrachtet ihre schlanke Erscheinung.
    Wenn diese Nacht nur schon vorbei wäre.

26

    U nruhig sitzt Tonio im Polizeiboot. Die Nähe so vieler Polizisten ist ihm nicht geheuer. Sie haben Julia und ihm Decken umgelegt. Plötzlich zieht eine Hand die Decke dichter um seine Schultern. Julias Hand.
    » Danke. « Sie lächelt.
    » Wofür? «
    » Ich weiß nicht, ob ich das ohne dich geschafft hätte. «
    » Du hättest. « Er lächelt zurück. » Du bist sehr zielbewusst. «
    » Eigentlich nicht. In der Schule sagen sie Chaos-Jule zu mir. « Sie rutscht näher. » Wenn du mein Zimmer sehen könntest, würdest du anders denken. «
    » Würd ich gern mal. « Er legt seine Hand neben ihre auf die Bank.
    » Was? «
    » Dein Zimmer sehen. «
    Sie tippt auf seinen kleinen Finger. » Das wär was, mein

Weitere Kostenlose Bücher