Diese Nacht darf niemals enden
internationalen Verwandtschaft aufgewachsen war – Französisch, Italienisch, Deutsch und noch ein halbes Dutzend anderer.
Alexa spürte das erste Beben eines Gefühls in sich, für das sie alles gegeben hätte, es nicht zu spüren. Sie konnte es nicht benennen, und das wollte sie auch nicht. Stattdessen wollte sie es ausblenden und ignorieren, weil es möglicherweise eine Tür aufstieß, hinter der etwas lag, das sie zerstören würde. Diese Tür durfte nie geöffnet werden, ganz gleich, was Guy auch sagen mochte.
Sie hörte seine Worte, klar und deutlich ausgesprochen, wie aus weiter Ferne, und doch schnitt jede Silbe wie ein Skalpell durch sie hindurch.
„Ich werde heiraten.“
Wie reglos sie dasteht, fast wie eine der Statuen dieser überbewerteten modernen Künstler, dachte er. Frau mit Kaffeekanne in Küche. Aber auch er schien erstarrt – oder zumindest sein Verstand. Er war in die Küche gekommen und hatte genau gewusst, was er ihr sagen musste, und was seine Worte bedeuteten.
Die Bedeutung war klar und eindeutig. Unvermeidlich.
Ihm war es völlig klar. Ihr auch?
Er musterte sie. Sie stand dort, als wäre die Zeit stehen geblieben. In den großen Augen, die ihn von Anfang an so fasziniert hatten, zeigte sich keine Regung. Absolut nichts. Es waren wunderschöne Augen in einem Gesicht, in dem selbst er mit seinen hohen Ansprüchen nicht den kleinsten Makel finden konnte. Ihre Figur perfektionierte ihre Schönheit und hatte sein Interesse sofort geweckt. Guy war berüchtigt für die Skrupellosigkeit, mit der er ein Ziel verfolgte, wenn sein Interesse erst einmal geweckt war.
Einige der Frauen, für die er sich interessiert hatte, waren der Ansicht gewesen, Spielchen spielen zu müssen, um ihn zu bezaubern, zu ermuntern oder – noch alberner – zu manipulieren. Zu seinem großen Entzücken hatte Alexa keine derartig lächerlichen Versuche unternommen. Sie hatte weder Zögern, Koketterie noch Verschlagenheit gezeigt, sondern die Bedingungen für die Affäre anstandslos akzeptiert, gleich von der ersten gemeinsamen Nacht an. Jene unvergessliche Nacht …
Erinnerungen flackerten in ihm auf, kleine Flammen im trockenen Unterholz. Er erstickte sie sofort. Dieses Feuer musste gelöscht werden, für immer. Es war nicht die Zeit für Erinnerungen, sondern für deutliche Worte.
Brutale deutliche Worte, falls nötig. Er musste sie aussprechen, nicht nur ihretwegen. Es durfte nicht das kleinste Risiko für ein Missverständnis geben.
Die Spannung füllte den Raum zwischen ihnen, seine Worte schnitten kühl und knapp durch die Stille.
„Wir werden uns nicht mehr sehen, Alexa.“
Noch einen Herzschlag lang stand die Zeit still. Eine Ewigkeit in einem Wimpernschlag. Dann, wie in einem Film, der stockend anlief, bewegte Alexa sich wieder. Sie füllte eine Tasse mit frischem Kaffee und bot sie dem Mann an, der nur einen Schritt von ihr entfernt stand.
Ein Schritt, und doch eine unüberbrückbare Entfernung.
„Natürlich“, erwiderte sie sachlich. „ C’est bien entendu , so heißt es doch auf Französisch, nicht wahr? Trinkst du noch einen Kaffee, bevor du gehst?“
Kein Gefühl zeigte sich auf ihrer Miene. Sie würde sich kein Gefühl erlauben. Die Hand, mit der sie ihm die Tasse reichte, zitterte nicht. Kaffeedampf stieg zwischen ihnen in die Luft. Alexa schaute offen in sein Gesicht. Auch sein Gesicht verriet nicht das Geringste, so als hätte er nur eine unwichtige Floskel ohne jegliche Konsequenz geäußert.
Er nahm die Tasse nicht an, sondern sah Alexa nur mit undurchdringlicher Miene an. Aber sie versuchte gar nicht erst, darin etwas zu erkennen, und konzentrierte sich allein darauf, die Hand mit der Kaffeetasse ruhig zu halten. Noch eine Sekunde, dann stellte sie die Tasse wie in Zeitlupe auf den Tisch zurück. Dann erst wandte sie sich ihm wieder zu, im Blick nichts als ausgesuchte Höflichkeit.
„Ich hoffe, du erlaubst mir, dir Glück für die Zukunft zu wünschen.“ Ihre Stimme klang ebenso klar und ungetrübt, wie ihr Blick aussah.
Mit graziösen Bewegungen ging Alexa zur Tür. Das war nun also das Ende – der Kaffee unangerührt und eine Hochzeit in Aussicht. Ohne sich umzublicken, ob er ihr folgte, ging sie zur Wohnungstür und zog die Sicherheitskette zurück. Sie trat beiseite und öffnete die Tür für Guy. Er kam näher und hielt einen Moment inne, noch immer mit einer Miene, aus der sich keine Regung ablesen ließ.
„Danke“, sagte er.
Sein Dank könnte ihren Glückwünschen
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