Diesen Sommer bin ich dein
Wohnung -
vielleicht in Bath - und würde ein ruhiges, zurückgezogenes Leben mit
einem kleinen Kreis ausgewählter Freunde führen. Sie würde diesen Ball
ertragen, weil sie dann niemand mehr als Feigling bezeichnen könnte.
Die mit seinem
Wappen geschmückte Kutsche des Duke of Anburey nahm ihren Platz in der Reihe
der Kutschen ein, welche die Gäste vor dem Herrensitz der Mannerings am
Cavendish Square absetzten. Lauren konnte sehen, dass alle Fenster von
Kerzenschein erhellt waren. Licht drang aus den geöffneten Doppeltüren und fiel
auf den roten Teppich, der die Treppe hinunter und über das Pflaster ausgerollt
worden war. Lauren konnte sogar über das Schnauben der Pferde, das Stampfen
ihrer Hufe und das Rattern der Wagenräder hinweg den geselligen Klang der
Stimmen hören, die einander begrüßten und lachten.
Es war ein
nervenaufreibender Moment, der ihr begreiflich machte, wie sehr sie sich in den
vierzehn Monaten seit dem Ball am Vorabend ihrer Hochzeit verändert hatte.
Damals hatte sie sich, behaglich geborgen in ihren eigenen Kreisen, vollkommen
wohl gefühlt, sich ihres eigenen Wertes und ihres Platzes in den Rängen der Beau
monde voll kommen gewiss. Es war an der Zeit, diesen Platz wieder
einzunehmen, natürlich nicht als Nevilles zukünftige Braut und Duchess, sondern
als die ehrenwerte Miss Lauren Edgeworth. Sie hob das Kinn, eine unbewusst
anmaßende Geste, die ihren Wunsch verbarg, aus der Kutsche zu springen und
davonzulaufen, bis Cavendish Square und Mayfair und ganz London weit hinter ihr
lägen.
Und dann waren sie
an der Reihe auszusteigen. Ein Lakai öffnete den Kutschenschlag und ließ die
Stufen herab. Die Gentlemen stiegen aus, Onkel Webster half Tante Sadie, und
Joseph streckte eine Hand aus, um Lauren zu helfen. Sie stieg auf den roten
Teppich hinab, wobei sie besonders auf ihre Haltung und ihren Gesichtsausdruck
achtete. Sie wusste, dass sie bestmöglich aussah. Ihr Gewand war von Elizabeths
eigener Modistin speziell für diese Gelegenheit angefertigt worden, und
Elizabeth hatte ihr bei der Auswahl des Stoffes und des Schnitts geholfen wie
auch bei den Accessoires, die sie dazu tragen sollte. Die Duchess of Portfrey
war für ihren erlesenen Geschmack bekannt. Aber Lauren Edgeworth ebenfalls.
Lauren lächelte,
während ihre Tante und ihr Onkel das Haus betraten, und legte eine Hand auf
Josephs dargebotenen Arm.
»Das ist es,
Lauren«, murmelte er anerkennend, lächelte ihr zu und zwinkerte sogar. »Du bist
das Abbild einer Königin, mein Mädchen. Du siehst in der Tat bezaubernder aus
als jede Königin, die ich jemals sah.«
»Und wie viele
waren das wohl, Joseph?«, fragte sie, während sie mit der freien Hand den
vorderen Saum ihres Kleides raffte und anmutig die Treppe hinauf in die
bevölkerte, hell erleuchtete Eingangshalle schritt. Sie bezwang die jähe
panische Überzeugung, dass sie etwas Wesentliches vergessen haben musste -
wie, zum Beispiel, ihr Kleid.
»Hmm, lass mich
einmal sehen.« Er gab vor, über die Antwort nachzudenken. »Tatsächlich eine.
Unsere Königin Charlotte. Du bist hundertmal hübscher als sie.«
»Sprich leise«,
riet sie ihm. »Du wirst wegen Verrats geköpft werden, wenn dich jemand hört.«
Aber sie schenkte ihm ein rasches dankbares Lächeln. Er hatte offensichtlich
bemerkt, dass ein Schwarm Schmetterlinge in ihrem Bauch flatterte, und tat sein
Bestes, um sie abzulenken.
Er führte sie zur
Treppe und auf die Schlange von Gästen zu, die langsam hinaufstiegen. Sie
atmete einige Male tief und beruhigend durch und widerstand dem Drang, eher
Dinge als Menschen anzusehen. Wie viele der Gäste auf der Treppe und wie viele
Gäste im darüber liegenden Ballsaal waren wohl bei ihrer Hochzeit gewesen und
Zeuge ihrer Demütigung geworden?
Es war natürlich
eine erhebliche Anzahl. Aber lebenslange Übung kann etwas Wunderbares sein, wie
Lauren bald entdeckte. Sie ermöglichte es ihr, die Treppe hinauf und am
Empfangskomitee vorbei in den Ballsaal zu schreiten, der bereits von Menschen
bevölkert war, die im Moment nichts Besseres zu tun hatten, als die Ankunft der
Mitgäste zu beobachten und zu kommentieren.
Sie versuchte, sich
auf die Pracht des Ballsaals zu konzentrieren, der von Hunderten von Kerzen in
drei großen Kristalllüstern über ihnen sowie in zahlreichen Wandleuchtern
erhellt wurde, wie auch auf die prächtigen Blumenarrangements, die den Raum mit
ihren zarten Pastellschattierungen und ihrem Duft erfüllten. Und sie bemühte
sich -
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