Diesen Sommer bin ich dein
gut, wenn man
bedachte, dass er nur einen Arm besaß. Sie empfand großes Mitleid für sein
Gebrechen, aber sie war ihm nicht sonderlich wohlgesinnt. Er war unfair zu Kit
gewesen.
Die Witwe ergriff
den Arm ihres Lieblingslakaien, eines kräftigen und gefälligen jungen Mannes,
um sich auf ihr Zimmer bringen zu lassen. Lauren entschuldigte sich und ging
wieder hinaus. Sie wusste selbst kaum, was sie vorhatte, als sie wieder auf der
Treppe stand, den Blick zum Stall gerichtet. Kits Bruder kam kurz darauf über
die Terrasse auf sie zu. Er hinkte ganz leicht, wie sie erkannte, was
vielleicht das Ergebnis der starren Reithaltung war; das Hinken verschwand nach
wenigen Schritten. Er zögerte einen Moment, als er sie bemerkte, kam aber dann
weiterhin auf sie zu.
»Guten Morgen, Miss
Edgeworth«, sagte er, als er ausreichend nahe war. Er tippte sich mit der
Peitsche an die Hutkrempe.
»Mr. Butler.«
Sie empfand
Abneigung - und Schuld. Aber warum sollte sie sich schuldig fühlen, weil
er verstümmelt war? Sie mochte ihn wirklich nicht. Er hatte Kit grundlos in
eine dauerhafte Hölle verwiesen. Und doch liebte Kit ihn noch immer.
Syd lächelte sein
verzerrtes Lächeln, als er den Fuß der Treppe erreichte, und wollte an Lauren
vorübergehen.
»Mr. Butler, würdet
Ihr einen Spaziergang mit mir machen?«, fragte Lauren.
Er sah sie mit
großem Erstaunen an. Er atmete ein - um eine Ausrede zu äußern, wie sie
vermutete. Aber dann schloss er den Mund, verbeugte sich, wandte sich um und
schritt mit ihr über die Terrasse und auf die große Wiese hinaus, wo am Vortag
das Kricket-Match stattgefunden hatte.
»Das Wetter ist
nicht mehr ganz so schön wie gestern«, bemerkte er.
»Nein, heute ist es
wolkig.«
Sie verlor fast den
Mut. Aber abgesehen von ihrem Handel, war sie auch um Kits willen betroffen.
Sie mochte ihn sie sorgte sich um ihn. In beunruhigendem Maße. Sie verschränkte
die Arme auf dem Rücken und atmete tief ein.
»Mr. Butler«,
fragte sie, »warum wollt ihr ihm nicht verzeihen?« Es kam ihr nicht in den
Sinn, dass er vielleicht gar nicht wusste, wovon sie sprach.
»Ah«, sagte er
sanft. »Hat er Euch das erzählt? Armer Kit.«
»Also befindet er sich
im Irrtum?« Sie runzelte die Stirn.
Er schwieg eine
Weile, während sie diagonal in Richtung der Bäume liefen. Dann seufzte er.
»Das ist ein viel
zu kompliziertes Thema«, sagte er schließlich. »Darum braucht Ihr Euch nicht zu
kümmern, Miss Edgeworth. Und Ihr braucht nicht zu befürchten, dass ich ewig
hier sein werde, um Euer und Kits Glück zu vereiteln. ich glaube, ich werde
schon innerhalb des nächsten Monats fortgehen. ich werde eine Stellung beim
Duke of Bewcastle annehmen.«
»Als Verwalter?«,
fragte sie. »Das bestürzt Kit, wisst Ihr. Er sagte mir, Ihr wärt für ein
solches Leben nicht geschaffen, da Ihr ein Künstler seid. Er liebt Euch.
Erkennt Ihr das nicht?«
Er blieb stehen und
starrte aufs Gras vor ihnen, bevor er den Kopf wandte und sie direkt anblickte.
Lauren war sich der Tatsache erschreckend bewusst, wie ausgesprochen gut er
ausgesehen hatte und wie entsetzlich entstellt er nun war.. Aber ihre Abneigung
gegen ihn hatte nicht nachgelassen.
»Und Ihr denkt,
dass ich ihn nicht liebe?«, fragte er sie.
»Ich denke, dass
Ihr ihn nicht lieben könnt«, antwortete sie, »sonst würdet Ihr ihm ein wenig
Erleichterung verschaffen. Glaubt Ihr, er habe nicht gelitten, nur weil er
nicht Eure Wunden trägt?«
Sydnam wurde
zornig. Sogar wütend, der plötzlichen Härte in seinen Augen, der Anspannung
seines Kinns und dem Beben seiner Nasenflügel nach zu urteilen. Aber er
beherrschte sich.
»Doch, ich glaube,
dass er gelitten hat«, sagte er kurz angebunden. Er wandte sich um und schaute
zum Haus zurück. »Dieser Spaziergang war keine gute Idee, Miss Edgeworth. Es
sei denn, wir kommen überein, übers Wetter zu sprechen. ich mag Euch.
Tatsächlich mag ich Euch sehr, obwohl ich mir bewusst bin, dass dieses Gefühl
nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Ihr seid bei meiner Großmutter die
Liebenswürdigkeit und Geduld in Person. ihr seid zu allen anderen freundlich
und reizend. Ihr hegt eine offensichtliche Zuneigung zu meinem Bruder. Ich
wünsche Euch Glück - Euch beiden. Aber ich muss gehen. Ich bezweifle,
dass Ihr mich häufig sehen werdet, wenn ich erst fort bin. Auf diese Art wird
es für alle das Beste sein. Wollen wir zurückgehen?«
Aber sie hatte mehr
gehört, als seine Worte allein vermittelt hatten. Sie hatte eine weitere
traurige
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