Diesen Sommer bin ich dein
sagte Kit, »bei Mutter und bei Vater und bei allen deinen alten
Freunden und Nachbarn.«
»Ja«, gab Syd zu.
»Aber am meisten bei dir, Kit.«
Sie wandten sich
nicht hügelabwärts. Sie blieben stehen und blickten über die weiten Felder und
über die Wiese hinweg, auf der Kit und Lauren vor wenigen Tagen um die Wette
geritten waren.
»Du bist ein
Künstler, Syd.« Er empfand erneut einen Schmerz in Kehle und Brust, das
schreckliche, ohnmächtige Mitleid für den Bruder, den er von Kindheit an
bewundert hatte. »Aber du bist zum Verwalter verdammt.«
»Ja«, sagte Syd.
»Es war nicht leicht, sich darein zu fügen. Vielleicht wird es niemals
vollständig gelingen. Vielleicht wird der Erfolg, ein exzellenter Verwalter zu
sein, mich nie darüber trösten können, dass ich nie wieder malen kann. Aber das
ist mein Problem, Kit, und ich allein muss mich darein fügen. Es ist mein
Körper, mein Leben. Ich werde damit fertig. Ich habe es bisher auch recht gut
geschafft. Ich wüsste ein wenig Zutrauen zu schätzen. Ich brauche dein Mitleid
nicht. Nur deine Liebe.«
Lauren hatte sie
immer noch beide untergehakt und schuf damit eine Verbindung zwischen ihnen,
eine Art Brücke, dachte Kit, als er jäh erkannte, dass dies recht bewusst
geschah. Laurens Hand schlich sich in seine und sie verschränkte ihre Finger
mit den seinen.
»Ich kann mir nicht
verzeihen«, sagte Kit. »Ich kann es nicht, Syd. Du hättest niemals auf der
Pyrenäenhalbinsel sein sollen. Du hättest gewiss nicht mit mir bei diesem
Einsatz sein sollen. Meine Unachtsamkeit hat uns in diese Falle geführt. Und
dann habe ich dich zurückgelassen, um solches zu erleiden ... während ich
entkam. Sag mir nicht, es sei dein Leben und deine Angelegenheit. Es ist meine
Angelegenheit. ich habe dich zu einem halben Leben verdammt und bin selbst
ungeschoren davongekommen.«
»Ich könnte
gekränkt sein, wenn ich deinen Schmerz nicht erkannt hätte«, erwiderte Syd.
»Kit, ich habe es mir selbst ausgesucht, Offizier zu werden. Ich wollte
Erkundungsoffizier werden. Die Falle war nicht vorhersehbar. Ich habe mich
freiwillig als Köder angeboten.«
War das die
Wahrheit? Natürlich war es das. Aber machte das einen Unterschied? Hatte Syd
eine Wahl gehabt? Hätte er sich nicht freiwillig gemeldet, hätte Kit ihm
befehlen müssen, diese Rolle zu übernehmen. Syd hatte ihn vor diesem Schritt
bewahrt.
»Ich will nicht
behaupten, dass ich genossen habe, was darauf folgte«, fuhr Syd fort.
»Tatsächlich war es die reine Hölle. Aber ich war stolz auf mich, Kit. ich
hatte mich dir und Jerome endlich ebenbürtig erwiesen. Vielleicht hatte ich
euch beide sogar übertroffen. Ich erwartete in meinem Hochmut, dass auch du
stolz auf mich wärst. Ich erwartete, dass du, als du mich nach Hause brachtest,
jedermann erzählen würdest, wie stolz du wärst. Ich dachte, du würdest meinen
Mut und meine Standhaftigkeit rühmen. Da war ich wohl sehr eingebildet.«
»Und stattdessen
habe ich dich herabgesetzt«, sagte Kit leise, »indem ich alle Schuld auf mich
nahm und jedermanns Aufmerksamkeit auf mich zog, während ich fast verrückt
wurde. ich habe dich nur als Opfer dargestellt.«
»Jawohl«, sagte Sydnam.
»Ich war immer,
immer stolz auf dich! Du musstest nichts beweisen, Syd. Du bist mein Bruder.«
Sie standen da und
blickten über die Landschaft, den Wind im Rücken, den Lärm fröhlicher Stimmen
hinter ihnen.
Kit lachte leise.
»Du hast über mich gesprochen, Lauren, nicht wahr? Was hast du heute Morgen
noch gesagt? >Vielleicht liegt es in der Natur der Liebe, dass man lieber
allen Schmerz auf sich nehmen möchte, als den geliebten Menschen leiden zu
sehen.< In gewisser Weise, Syd, war meine Rolle genauso schwer wie deine.
Das klingt vielleicht vermessen, aber es liegt Wahrheit darin.«
»Ja, ich weiß«,
stimmte sein Bruder zu. »Ich war stets dankbar dafür, dass ich nicht zur Flucht
bestimmt wurde. Ich hätte es nicht ertragen können, dich so zu sehen. Es ist in
der Tat leichter, selbst etwas zu erleiden, als es einen geliebten Menschen
erleiden zu sehen.«
»Ich weiß nicht wie
es euch beiden geht«,
sagte Lauren nach einem kurzen Schweigen, »aber ich habe großen Hunger.«
Kit wandte den Kopf
und lächelte ihr zu und begegnete dann dem Blick seines Bruders. Er fragte
sich, ob er ebenso so einfältig wirkte wie Syd, und entschied, dass dem wahrscheinlich
so war!
»Komm, Syd«, sagte
er, »lass uns einmal sehen, wie gut du mit einer Hand Hähnchen essen kannst
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