Diesen Sommer bin ich dein
könnte!«
»Und darin liegt
Eure Antwort«, erwiderte sie. »Für Euch müsste es eine wahre Verlobung sein,
Mylord, nicht wahr? Seht Ihr: Wenn ich mich unehrenhaft verhalten und mich
weigern sollte, sie zu lösen, obwohl ich einen Handel mit Euch abgeschlossen
hätte, könntet Ihr mich nur noch heiraten. Und daher wärt Ihr an keiner Täuschung
beteiligt, wenn Ihr meinem Vorschlag zustimmtet.«
Er bemühte sich,
einen Fehler in ihrer Argumentation zu finden. Aber es gab keinen. Natürlich
wäre es für ihn eine wahre Verlobung, wenn er ihrem seltsamen Vorschlag
zustimmte. Und vielleicht - ja, vielleicht könnte er die Ehre
wiederherstellen, die er während der letzten Wochen verloren hatte, und sie
während des Sommers doch noch davon überzeugen, ihn zu heiraten. Vielleicht
könnte er sie davon überzeugen, dass das, was er zu bieten hatte, ein wenig reizvoller
war als ein Leben allein. Frauen, selbst diejenigen, welche die Mittel besaßen,
ein unabhängiges Leben zu führen, hatten nur sehr wenig wahre Freiheit.
Er liebte Lauren
Edgeworth nicht. Er kannte sie nicht einmal, wie er sich kläglich eingestand.
Aber eines war ihm während der vergangenen halben Stunde schmerzlich bewusst
geworden. Sie war eine sehr reale Person mit sehr realen Gefühlen. Und sie war
ein Mensch, für den er eine gewisse Achtung empfand. Und ein Mensch, dem er
etwas schuldete.
»Und Ihr seid Euch
sicher, dass Euch eine mehrtägige Gesellschaft gefallen würde?«, fragte er sie,
während er sich wieder aufrichtete.
Sie wandte ihm zum
ersten Mal ihr Gesicht zu. »Ich glaube, es würde mir großartig gefallen. Ich
wurde zur Countess erzogen, erinnert Ihr Euch? Ich wurde in der Erwartung
erzogen, eines Tages als Gutsherrin Newbury Abbey zu führen. Als die Verlobte
des Erben des Earl of Redfield nach Alvesley zu gehen wäre etwas, das ich mit
größter Zuversicht und Sorglosigkeit erwägen könnte. Ich würde Euch nicht
enttäuschen.«
Er blickte ihr
stirnrunzelnd in die Augen. »Aber warum solltet ihr das alles tun, nur um Eure
Familie davon zu überzeugen, Euch das Leben Eurer Wahl leben zu lassen?
Verzeiht mir, aber ihr seid keine furchtsame oder leicht zu beherrschende Frau,
Miss Edgeworth. Ihr braucht ihnen doch gewiss nur zu sagen, Ihr hättet Euch
bezüglich Eurer Zukunft entschieden, und sie könnten sich ihren Atem ebenso gut
dafür aufsparen, ihren Porridge zu kühlen, als zu versuchen, Eure Meinung zu
ändern.«
Sie wandte erneut
den Blick ab - zu den dunklen Bäumen auf der anderen Seite des Weges, zum
Himmel über ihnen, der durch die Zweige der Bäume gerade eben zu sehen war.
»Euer Geständnis
heute Abend hat mir all die schlimmen Dinge bestätigt, die ich über Euch gehört
habe und gesagt bekam«, erklärte sie. »Ich hatte zunächst nur das Bedürfnis,
von Euch fortzukommen und Euch niemals wiederzusehen. Aber ...«
Sie schien eine
Weile nicht fortfahren zu wollen. Er wartete.
»Mein Leben verlief
ruhig und schicklich«, sagte sie schließlich. »Ich habe erst kürzlich erkannt,
dass es mich überdies langweilt. Die Langeweile gefällt mir. Sie ist das, was
ich kenne, womit ich mich wohl fühle, womit ich den Rest meines Lebens recht
zufrieden leben könnte. Aber in letzter Zeit sehne ich mich danach, einmal zu
erfahren, wie es wäre, eine Art Abenteuer zu erleben. Und ... ach, ich weiß
nicht, wie ich das Gefühl ausdrücken soll. ich glaube, dass es recht ...
abenteuerlich wäre, einen Sommer in Eurer Gesellschaft zu verbringen, als Eure
vorgetäuschte Verlobte. Das lässt sich alles schlecht in Worte fassen.«
Aber sie sagte noch
weitaus mehr, als die Worte selbst vermittelten. Sie war offensichtlich eine
Frau, die niemals Freude gekannt hatte, die ihre Möglichkeiten, übermütig und
glücklich zu sein, schon vor langer Zeit vollkommen unterdrückt hatte.
»Dieser Handel
würde mir Euer Versprechen einbringen, Lord Ravensberg«, fuhr sie fort, »mir
einen für den Rest meines Lebens unvergesslichen Sommer zu bescheren. Abenteuer
und ... nun, Abenteuer. Das möchte ich als Gegenleistung dafür, dass ich
Euch vor einer unerwünschten Heirat rette.«
Er dachte, sie habe
geendet, aber als er antworten wollte, hob sie die Rechte und gebot ihm zu
schweigen. Dabei blickte sie erneut auf ihre andere Hand hinunter, die mit der
Handfläche nach oben und gespreizten Fingern auf ihrem Schoß lag.
»Es gab einen
Vormittag«, sagte sie, »in Newbury, nur wenige Tage nach meiner Hochzeit -
nach der Hochzeit, die
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