Dieser graue Geist
uns der Kommandant gestattet …«
»Unschuldige sterben! Wenn Sie glauben, ich stehe still, bis Ihr Kommandant genug davon hat, sich aufzuplustern, haben Sie in der vergangenen Woche wenig über mich gelernt.« Damit eilte sie übers Deck.
Die Soldaten reagierten prompt. »Hey, Sie!«, rief ein Patrouillenführer und rannte ihr hinterher.
Ezri lächelte und winkte höflich. Er sollte ruhig wissen, dass sie ihn hörte. Dann hatte sie die Treppe erreicht. Auf dem untersten Deck, wo sie sich für den Tauchgang umgezogen hatten, waren Rettungsboote gewesen, oder? Dax lebte nach ihrem eigenen moralischen Kompass. Sie wollte verdammt sein, wenn sie zusah, wie diese Armeeangeber ihre ohnehin schon großen Egos pflegten, während da draußen Leute starben. Hatte sie etwa darum gebeten, Heilsbringerin der Yrythny zu werden? Nein, die hatten sie eingeladen! Es war ihre Idee gewesen, Dax in ihren inneren Konflikt einzuweihen. Nun, wer Dax bestellte, bekam Dax – und zwar komplett. Es galt nur alles oder nichts.
Sie war kaum auf den Stufen, als sie Jeshoh hinter sich hörte. Trotz seiner Bemühungen war sie zuerst unten. Sobald er das Deck erreicht hatte, zog sie ihn zu sich und schloss die Zugangstür hinter ihm. Das Geräusch der die Treppe hinunterpolternden Stiefel beunruhigte sie nicht im Geringsten.
»Ich glaube nicht, dass der Kommandant Sie gehen lassen will …«, keuchte er und beugte sich vor, um zu Atem zu kommen.
Ezri löste die Türverkleidung, entfernte zwei Chips aus den dahinter befindlichen Verbindungen und zerbrach sie. Die wütenden Yrythny konnten ruhig draußen bleiben. Zwei weitere Türen führten tiefer in den Bauch des Schiffes. Es war nur eine Frage von Minuten, bis die Soldaten es auf dem Weg versuchen würden.
»Was machen Sie da?«, fragte Jeshoh ungläubig. »Die werden wütend sein. Die werden die Tür sprengen!«
»Dies ist immer noch ein staatliches Schiff. Glauben Sie, es gefällt dem Versammlungsrat, wenn seine handverlesene Vermittlerin gejagt wird wie eine Kriminelle?«
»Als Sie eben rannten, sahen Sie ziemlich kriminell aus.«
»Machen wir uns nichts vor, Jeshoh: Ihre Truppen haben die Wanderer längst für schuldig befunden. Sie konzentrieren sich weder auf mich, noch auf mein Team. Und ich habe nicht vor, mich am Holzwein gütlich zu tun, während Ihre Leute Hilfe brauchen! Immerhin haben wir die Mittel!« Sie ging den Korridor hinab und öffnete jeden Schrank, den sie finden konnte. Sollten sie doch versuchen, sie aufzuhalten! Ezri würde sogar ins Wasser springen und mit Händen voller Rettungswesten zu den Dorfbewohnern schwimmen, wenn es nicht anders ging.
»Hier findet gerade eine Untersuchung statt, Lieutenant«, sagte Jeshoh. »Sie haben den Kommandanten gehört. Nach Kenntnis unseres Militärs wurden die Sprengsätze, die zur Zerstörung des Dorfes führten, nicht vor Ort gezündet, sondern von jemandem an Bord dieses Schiffes. Kurz nachdem hier ein Signal aus Ihrem Büro eintraf. Sie haben ganz recht: Niemand verdächtigt Sie oder Ihre Leute. Aber man glaubt, Sie können zur Identifizierung der echten Terroristen beitragen.«
»Weshalb? Weil nur Wanderer Verbrechen begehen?«, spottete Dax und überflog die Piktogramme, die den Inhalt der Schränke kennzeichneten. Rationen, Seile, Wasserreiniger, Notkommunikation … Ah, da ist es. Sie öffnete das als Lebensrettung ausgewiesene Behältnis und entnahm ihm mehrere Taschen. Im nächsten Schrank fand sie weitere. Wieder nahm sie sie raus und warf sie zu Jeshoh, der sie jedoch zu Boden fallen ließ. Also nahm sie sie selbst, hängte sie sich über die Schulter und widmete sich dem nächsten Schrank. »Liegt es etwa an dieser stupiden Vorverurteilung der Wanderer, dass wir noch keine Rettungsmission begonnen haben?«
»Teilweise«, antwortete Jeshoh zögerlich.
»Was soll das heißen, verdammt?«
»Die Wasserwirtschaftsdörfer sind voller Wanderer«, sagte er bitter. »Ich habe so etwas schon früher gesehen. Fallen Wanderer terroristischen Anschlägen zum Opfer, reagiert das Militär nur sehr träge. Zum Teil, weil eine hohe Opferzahl gut für seine PR ist. Die Wanderer gelten als böse, gefährlich und so weiter.«
Ezri weigerte sich, ihn vom Haken zu lassen. »Und?«
»Und weil es glaubt, es dürfe Wanderer nicht vor den Folgen ihrer eigenen Fehler schützen. Kommen bei ihren Aktionen andere Wanderer um, dann sollen die Wanderer auch die Schuld daran tragen.«
»Das ist widerlich!«, sagte Ezri.
»Würden Sie
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