Dieser graue Geist
seine Hüfte. Garak reichte Kira die Puppe, und sie drückte das kalte Ding, das der Junge doch sicher würde wiederhaben wollen, reflexartig an sich. Erst dann erkannte sie, was es wirklich war. Es kostete sie unglaubliche Mühe, nicht vor Schreck zurückzuzucken und die Säuglingsleiche fallen zu lassen. Stattdessen fand sie eine kleine Einbuchtung im Boden, vermutlich ein Bombenkrater, und beerdigte sie angemessen.
Ob auch Lang da gewesen war? Auf Cardassia, in jener schwarzen Nacht?
Die Cardassianer hatten ihre Arroganz unfassbar teuer bezahlt. Und trotz allem, was sie ihr – und Bajor – angetan hatten, sah Kira keinen Grund dafür, sie weiter zahlen zu lassen. Diese Peitsche würde ich nicht mal annehmen, wenn man sie mir in die Hand gäbe. Die Einsicht verblüffte sie. Kira sah Natima in die Augen und hoffte, die Cardassianerin fände Stärke in der Erkenntnis, dass wenigstens eine ehemalige Gegnerin sie verstand. Doch dann schob Asarem plötzlich ihren Sitz zurück, und Kira wappnete sich für die drohende Erwiderung.
Asarem erhob sich betont langsam. Ihr Körper bebte nahezu vor Anspannung, als sie sich vor Lang aufbaute. »Wann zuletzt ein Kind in meiner Gegenwart am Fostassa-Virus starb?«, fragte sie mit eisiger Stimme. »Vor acht Jahren. Als die Besatzung Bajors durch die Cardassianer endete.«
Lang erstarrte. Grausame Stille hielt Einzug.
»Botschafterin, Ministerin«, bat Gul Macet leise. Er saß neben Lang und hielt nun schützend den Arm vor sie. »Ich glaube, der Zeitpunkt ist günstig für eine Pause. Unsere Delegation wird die Daten studieren, die sie uns gaben, und nach dem Essen treffen wir uns hier wieder und schauen, wie wir unsere Meinungsverschiedenheiten beilegen können.«
»Angesichts der bisherigen Ergebnisse unserer Bemühungen ziehe ich eine Unterbrechung mit offenem Ende vor«, sagte Asarem gefasst. »Bis beide Delegationen in der Lage sind, ihre Standpunkte besser zu verifizieren.« Sie sah Macet an. Als sie ein Padd an einen Assistenten weiterreichte, zitterte ihre Hand. »Wenn beide Parteien wissen, wie flexibel ihre Regierungen in spezifischen Punkten sind, können wir sicher mehr erreichen.«
»Sie meinen, wenn Cardassia Bajors Forderungen akzeptiert«, murmelte Lang zynisch.
»Natima«, warnte Macet sie, ohne den Blick von Asarem zu nehmen. »Die Ministerin meinte den restlichen Tag, nicht wahr?«
»So lange wie nötig«, antwortete Asarem. Schweigend räumte sie ihren Platz auf, und ihre Assistenten gingen ihr zur Hand. Niemand wechselte Blicke mit der Gegenpartei.
Lang zitterte vor Erschöpfung. Macet begleitete sie hinaus, angeblich zum Mittagessen. Ihnen folgte eine Ansammlung teils wütend, teils trostlos aussehender Attachés.
Die Gruppen verließen den Raum durch unterschiedliche Türen. Kira wartete, bis sie gegangen waren, und erhob sich. Wenn ich jetzt nichts sage, mache ich mich zur Komplizin in dieser Ungerechtigkeit!
»Ministerin, haben Sie eine Minute?«
Asarem, die als Einzige noch zugegen war, hob eine Braue. »Colonel Kira. Ich vermute, Sie wollen mir Ihre Weisheit zuteilwerden lassen.«
»Weisheit ist vielleicht nicht das Wort, das ich gewählt hätte, aber jede vernunftbegabte Person wäre nach dem, was hier eben vorfiel, besorgt.« Kira wünschte, sie wüsste, womit sie die Vizepremierministerin verärgert hatte. Nur dann konnte sie sich entschuldigen.
»Glauben Sie, ich verhalte mich den Cardassianern gegenüber unfair?«, fragte Asarem ungehalten.
Sei vernünftig, Nerys , dachte Kira. Beherrsch dich! »Lang bittet um Medikamente, nicht um Quantentorpedos. Sie fragt nicht einmal nach Rohmaterialien, aus denen sich leichter Waffen bauen ließen.« Aus eigener Erfahrung wusste sie, dass behelfsmäßige Waffen – etwa selbstgebaute Splitterbomben – nicht minder effektiv sein konnten, als es die professionellen waren, die zu bauen Asarem ihren Gästen unterstellte. »Was ist so unvernünftig an dem Wunsch nach Plasmareplikatoren und Operationsbesteck? Inwiefern profitiert Bajor davon, es den Cardassianern so schwer zu machen?«
»Ihre Einstellung überrascht mich, Colonel«, erwiderte Asarem. »Gerade Sie sollten verstehen, wie wichtig es ist, dass Cardassia nie wieder in die Position gerät, Bajor oder andere verletzen zu können.« Die Ministerin drehte sich um und fuhr damit fort, ihre Tasche zu packen. »Vielleicht ist Ihr Ruf als Patriotin eine Übertreibung.«
Das muss ich mir nicht anhören! Ich bin nicht der Feind. Kira widerstand
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