Dieser graue Geist
anderen.
Und dann, die Hände ausgestreckt und die Augen geschlossen, betete sie.
Sie sprach jedes Gebet, das sie seit Kindertagen gehört hatte, und hängte stets die simple, nahezu ungeduldige Bitte um Klarheit an. Die Klarheit, die sich ihr bisher entzogen hatte. Zeit verging, ganze Stunden sogar, und Kira blieb stehen. Sie würde stehen, bis sie umfiel oder ihre Fragen beantwortet wurden.
Irgendwann sanken ihre Fäuste, und da wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie warf noch einen letzten sehnsuchtsvollen Blick auf den Ohrring, legte ihn zurück, blies die Kerzen aus und verschloss den Schrank.
Gul Macet scrollte durch eine der Geheimdienstakten, die er von Cardassia mitgebracht hatte. Er mochte nicht mit jeder Entscheidung des Zentralkommandos einverstanden sein, aber deswegen war er sich längst nicht zu schade, ihren Abfall zu durchwühlen, sofern es Cardassia half. Ein guter Stratege beurteilte eine Information nicht anhand ihres Fundortes oder Überbringers.
Vor ihm auf dem Tisch lag Kira Nerys’ offizielle Akte vom Singha-Internierungslager, und daneben die Identifikationsholos, die Jahr für Jahr von ihr gemacht worden waren, bis sie das Lager verließ und sich dem Widerstand anschloss. Die Aufnahmen boten ihm nichts Neues, aber damit rechnete er auch nicht. Heute Nachmittag war mir, als hätten wir sie überzeugt , dachte er und entsann sich des Konflikts, der sich in ihrem Gesicht gespiegelt hatte. Auch sie war in der Nacht des Angriffs in der Hauptstadt gewesen. Irgendetwas in ihren Augen bewies es ihm. Etwas, das er und diese junge Bajoranerin gemeinsam haben mussten.
Die Türklingel erklang, und Macet bat den Besucher herein. Vermutlich hatte Natima es sich überlegt und nahm sein Angebot eines späten Essens nun doch noch an. Wir müssen besprechen, wie es morgen weitergeht. Asarem wird uns das Recht verweigern wollen, überhaupt noch an ihrem Tisch zu sitzen. »Sagen Sie, Natima, haben Sie Enkar erreicht?«, fragte er, ohne von Kiras Akte aufzublicken.
Stille folgte.
Wenn Natima ging, raschelte ihr Kleid für gewöhnlich. Nun aber hörte er nicht einmal Schritte. Oder bringt mir Vlar mein Abendbrot? Macet riss sich von seinen Studien los und wandte sich seinem Besucher zu.
»Gul Macet«, begann Kira Nerys, »hätten Sie Interesse an einem gemeinsamen Spaziergang?«
KAPITEL 15
»Sie hat’s geschafft!«, rief Bowers aus. »Der Wurm überträgt. Geben Sie mir eine Minute, und ich habe ihr System durchsucht. Mal sehen, ob ich die Zugangscodes zu unserer Materiefuhre aufspüren kann.«
»Die Uhr läuft«, sagte Julian. »In drei Minuten beginnt die Cheka-Sicherheit, den Computer zu scannen. Dann wird Ensign Tenmeis Manipulation auffallen.« Bashir saß an der Wissenschaftsstation und hatte Prynn mit dem Transporter erfasst. Sie hatte sich seit zehn Minuten nicht bewegt, doch ihre Werte blieben normal.
»Chief Chaos Status?«, fragte Vaughn.
Bashir prüfte seine Anzeigen. »Ebenfalls in Position.«
Jetzt kommt der witzige Teil , dachte Vaughn. Das Warten. Langsam und konzentriert ging er über die Brücke der Defiant . »Wir dürfen nicht übermütig werden, Sam. Es genügt nicht, ins System der Cheka einzudringen. Ohne die Zugangscodes sind wir keinen Schritt weiter – und nach wie vor ohne das Material, das Nog für sein Verteidigungssystem benötigt.« Ganz abgesehen davon, dass Prynn noch aus der Suite entkommen musste, bevor der Sicherheitsdienst sie mit dem Hackerangriff in Verbindung brachte. Um unnötige Aufmerksamkeit zu vermeiden, bestand sie darauf, in Fazzles Gegenwart nicht weggebeamt zu werden. Sie wollte sich selbst um ihre Flucht kümmern, sobald der »Wurm« seinen Dienst aufnahm.
An der taktischen Station beugte sich Sam über die hereinkommenden Daten wie ein Jagdhund über die Fährte eines Wildschweins, durchforstete Informationen, entschlüsselte Texte. Was immer er einer näheren Prüfung für würdig erachtete, wurde vom Bordcomputer analysiert.
»Zwei Minuten«, meldete Julian. »Wann tritt Teil B unseres Plans in Kraft?«
Vaughn sah zur Uhr. »Bald. Wie weit sind wir, Sam?«
»Der Computer durchsucht die Handelsunterlagen der Cheka.« Plötzlich grinste er. »Das ist ja interessant. Glaubt jemand, eine aktuelle Karte der in diesem Sektor befindlichen Netzwaffen könnte uns helfen?«
»Falls wir die Codes nicht bekommen, könnte sie uns das Leben bedeutend erleichtern«, sagte Julian.
»Leider bezieht sie sich nur auf diesen Sektor«, meinte Sam. »Das
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