Dieser Mann ist leider tot
Viking in der Wanne lag wie ein Berg zerzauster Wolfspelze.
Cal kniete neben der Wanne nieder, um den Husky zu untersuchen. Lia starrte auf ihn herunter, und ihre Hände klammerten sich in ihr Gesicht, als würde es wegfliegen, wenn sie es losließe. Die Beerdigung, die Prozedur auf dem Gestüt, und jetzt das hier. Die betäubende Krönung eines Tages, der bis jetzt nicht so schlimm gewesen war, wie sie erwartet hatte. Die Heimfahrt von dem Gestüt mit Cal, der – unerklärlicherweise – gekleidet war wie ein polospielender Pirat, hatte ihre Stimmung erhellt, genau wie der Gedanke daran, sich auf das Sofa fallen zu lassen, ohne Schuhe und mit einem steifen Drink in der Hand.
»Tranquilizer-Pfeile«, sagte Cal. »Ich seh sie.« Er hob die tote Last von Vikings Kopf und bemühte sich, ihn Lia zuzuwenden. »Einer oder zwei hätten ihn wahrscheinlich außer Gefecht gesetzt – er war groß genug, um eine ordentliche Dosis zu verkraften –, aber wer immer das hier getan hat, hat ihn mit den gottverdammten Dingern durchsiebt. Ich zähle fünf Stück. Nein, sechs.« Er ließ den mächtigen Kopf wieder hinuntersinken und machte sich daran, behutsam die Pfeile herauszuzupfen.
»Vo Quang Lat«, sagte Lia.
Cal blickte verwirrt zu ihr auf.
»Der Vietnamese, den sie mit Tranqs beschossen haben, als ich mit Grace unten in Fort Benning war.«
»Na, hier steckt deine verschlagene Hexe auch dahinter.«
»Nein. Das hier war ein Einbruch. Nur ein Einbruch. Wieso soll Grace unseren Hund umbringen?«
Aber während sie noch redete, wußte Lia, daß Cal recht hatte, daß die Frau, die sie jetzt einen Tag in der Woche gewinnbringend behandelte, diesen Anschlag befohlen hatte. Aber warum? Warum den armen Vike umbringen, ihren vierbeinigen Liebling? Na, weil er ein Hindernis für den Klopfnicht gewesen war, der hier nach belastendem Material gegen Cal oder sie gesucht hatte. Und während diese Erkenntnis in ihr dämmerte, erwachte in Cals Gesicht ein Ausdruck des Abscheus. Er richtete sich aus der Hocke auf und schob sich grob an ihr vorbei.
»Deine Samisdat-Manuskripte!« rief sie. »Deine Dick-Romane!«
»Meinst du, das mußt du mir noch sagen? Meinst du, das weiß ich nicht?« Und einen Augenblick später brüllte er aus der Bibliothek: »Sie sind weg! Verdammt und zur Hölle, sie sind alle weg!«
Sie ging zur Tür. Cal kauerte auf den Knien vor seiner Kiste und wühlte in dem verbliebenen Kram, hauptsächlich Briefe, Notizhefte vom College, ein paar unschuldige Samisdat-Manuskripte, an denen niemand außer Cal irgendein Interesse haben konnte. Das Kostbarste, was noch da war, waren natürlich die Briefe von seinen Eltern. Er hielt ein Bündel davon in den Händen – wie Aktien, die auf einem zusammenbrechenden Markt plötzlich unverkäuflich waren. Er sah komisch und jämmerlich zugleich aus. Warum hatte er sein gefährliches Dick-Material vor dem Umzug von Colorado hierher nicht einfach verbrannt? Hatte sie ihn nicht Dutzende und Dutzende von Malen darum gebeten?
»Hast du ihr je von meiner Dick-Sammlung erzählt, Lia? Hast du jemals auch nur beiläufig erwähnt, daß ich dieses Zeug hatte?«
»Cal …«
»Ja oder nein?«
»Ja, natürlich, wir reden ja von nichts anderem! Wie bringe ich meinen Hippie-Gatten endgültig vor King Richards Kadi? ›Verbotene P.K.-Dick-Romane? Jawohl, Miss Rinehart. Eine ganze Kiste voll. Wann würde es denn passen, daß jemand einbricht und sie abholt? Ich hoffe bloß, es macht Ihrem gemieteten Ganoven nicht zuviel Mühe, unseren Hund zu ermorden, wenn er sie klaut. Oh, wirklich. Das ist wundervoll. Wundervoll!‹« Lia biß die Zähne zusammen und fing an zu weinen.
»Es tut mir leid«, sagte Cal.
Er kam zu ihr und zog sie an sich. Als er sie in den Armen hielt, hörten sie die Hauswirtin, Mrs. McVane, vorn an der Haustür »Juhuu!« rufen.
Die Frau kam herein. Ihr Mann war wegen eines beunruhigenden Taubheitsgefühls in den Armen in Columbus im Krankenhaus, aber sie selbst war eben auch vom Empfang auf dem Gestüt gekommen.
»Lia, Darling, was ist denn passiert? Was ist denn noch passiert?«
»Ein Einbruch«, sagte Cal. »Ein gottverdammter Einbruch.«
Ruhig löste Lia sich aus Cals tröstenden Armen und hakte sich bei Mrs. McVane unter, um die Frau zur Haustür zurückzugeleiten, und bei jedem Schritt versicherte sie der Hauswirtin, daß alles in Ordnung sei und daß sie nur ein bißchen Zeit brauchten, um wieder Ordnung zu schaffen und um den armen Vike zu trauern.
Mrs. McVane
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