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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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zeichnete mit einem roten Bic-Stift eine Karikatur von King Richard, wie er den ersten Ball im Eröffnungsspiel in der neuen Saison des Washingtoner Senats warf. Aber der Ball war eine Handgranate, und der Spieler, der ihn zu fangen versuchte, war der Minderheitssprecher im Senat, der stets versuchte, Vorlagen zu blockieren, die der Präsident befürwortete.
    Vielleicht solltest du einen Comic erfinden, überlegte Lone Boy, einen Comic über die Abenteuer von, sagen wir, ›Masterman Milrose‹.
    Wütend knüllte Lone Boy seine Zeichnung zusammen und warf sie in einen leeren Karton hinter der Theke. Eine arschblöde Idee. Alle guten Superhelden sind schon erfunden, und wenn der Präsident eine Serie wollte, die sich mit seinen Heldentaten befaßte, dann würde er sich Frank Miller holen, nicht irgendeinen emporgekommenen amerikulturierten Vietnamesen ohne Berufserfahrung. Eine wirklich saumäßig arschblöde Idee, Arschloch.
    Loan hatte Kopfschmerzen, in seinem Bauch schwappte es seekrank, und seine Zunge fühlte sich an wie ein Wollfussel. In einer Dose neben der Kasse fand er ein paar Aspirin; er schob sie mit dem Daumen in einen Becher Zitronensorbet aus der Eiscremebar und aß sie mit einem Plastiklöffel aus der Picknickabteilung.
    Er fühlte sich immer noch miserabel, als ein Auto donnernd herankam und vor dem Laden hielt. Der Penner, der ihm die Pistole und die Tranquilizer-Pfeile gegeben hatte, stieg aus und kam wiegenden Schritts in den Supermarkt, als gehörte ihm der Laden. Er nickte, stolzierte jeden Gang hinauf und hinunter und blieb vor dem Zeitschriften- und Paperbackständer neben der Kassentheke stehen.
    Hier entzifferte der Gorilla unter mancherlei Lippenbewegungen die Schlagzeilen des National Enquirer und beglotzte die Titten der Mädels auf Büchern wie ›Satanisch süße Qualen‹ oder ›Biester, bestialisch und blutjung‹. Literarisches Junk Food, das sich sogar bei ›Gangway Books‹ in deprimierenden Massen verkaufte.
    Die einzige andere Person im Laden, ein Schüler von der Berufsschule, der an einem Videospiel gestanden hatte, verlor seinen letzten Vierteldollar und ging.
    »Hast du sie?« fragte der Gorilla und drehte weiter lässig den Bücherständer mit den Paperbacks.
    Lone Boy aß weiter sein Zitronensorbet.
    »Ich habe gefragt, ob du sie hast, Schlitzauge.«
    »Leck mich mit deinen verdammten rassistischen Beleidigungen! Schieb sie dir dahin, wo E. coli wohnt, du blöde Nuß!« Daran beiß dir mal die Zähne aus, dachte Lone Boy in der grimmigen Gewißheit, daß der Gorilla nun anfangen würde, ihn brachial herumzuschubsen.
    Statt dessen aber sagte der vierschrötige Mann: »Entschuldigung, Mr. Loan«, und kam mit drei Paperbacks unter dem Arm – keines davon ein Miederfetzer – zur Kasse. Loan sah, daß es Lebenshilfetitel waren; der oberste lautete: ›Die Eliminierung des Negativen: Individuelle Ichstärkung bei Unsicherheit‹.
    »Die sind für den Bruder meiner Frau«, erklärte der Gorilla, nicht im mindesten verlegen. »Der ist gerade auf ’nem Selbstverbesserungstrip.«
    »Okay, gut. Die haben sich in letzter Zeit alle gut verkauft. Aber Sie haben eins übersehen, das Ihnen gefallen könnte.«
    »Yeah? Was denn?«
    »›In zwanzig Tagen unauffälliger und befriedigender in der Nase bohren‹. Ich glaube, es steht noch ein Exemplar hinter ›Wilder Wahn der Wollust‹.«
    Miss Grace’ Abgesandter starrte ihn einfach nur an – verachtungsvoll, wie es Loan schien. Dann sagte er, er sei wegen einiger Bücher gekommen, die weder hier im Supermarkt, noch in West Georgia Commons zu finden seien, und wenn Lone Boy sie auch nicht habe, wäre das schade, nicht nur für ihn, sondern auch für seine Familie: Loans Auffrischungskursus im FAZ von Fort Benning könnte sich als zeitraubender erweisen, als irgend jemand erwartet habe.
    »Sie sind in meinem Kofferraum«, sagte Lone Boy. Wieder sackte ihm der Magen in die Knie. Das Sorbet darin, die Aspirin, die er gegessen hatte – das alles wogte in ihm. Dies war seine letzte Chance, zu verhindern, daß die Samisdat-Manuskripte in Grace Rineharts Klauen gerieten, und er sah jetzt schon, daß er sie verpatzt hatte, daß er den schlechtesten Eigenschaften seines Charakters nachgab: Ehrgeiz, Gier, Illoyalität.
    Lone Boy führte seinen Besucher hinaus zu seinem Datsun. Der Transfer der gestohlenen Dick-Romane – in einer braunen Einkaufstüte – dauerte keine dreißig Sekunden. Der Geheimdienstmann legte sie auf den Boden vor den

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