Dieser Mann ist leider tot
Dance Hall des Ortes, auf dem Cal sie an seinem einzigen trainingsfreien Abend reiten ließ. Cowboys, so stellte sie fest, hatten ein eingebautes Bewußtsein für die Risiken der Nullschwerkraft, und sie war froh, daß ihr bezopfter Gatte (die NASA hatte ihm erlaubt, seinen Indianerzopf zu behalten) in den Weltraum flog, nicht sie. Andererseits war sie ganz und gar nicht glücklich darüber, daß er flog.
Eines Abends führte Lia in dem Vorstadthaus, in dem die NASA sie untergebracht hatte, ein langes Gespräch mit der Ehefrau ihres Verbindungsastronauten. Diese Frau erzählte ihr, daß nicht jeder, der hinaufflog, auch zurückkam. Seit 1977 seien zwei Schwerlasttransporter, die (angeblich unbemannt) vom Haupt-Raumflughafen in Canaveral gestartet waren, durch Explosionen restlos zerstört worden, bevor sie die Erdumlaufbahn erreicht hätten. Die Regierung habe überdies die Familien von umgekommenen Besatzungsmitgliedern umgesiedelt, bevor sie die Nachricht von diesen Katastrophen an andere Mitglieder der in Texas ansässigen Astronautengemeinde weitergeben konnten. Man wußte aber, daß sie umgekommen waren. Weshalb sonst sollten Mitarbeiter desselben Projekts gleichzeitig in einer Weise versetzt werden, daß ihre Familien, ob sie wollten oder nicht, über das ganze Land verstreut wurden, bevor die Männer selbst auch nur nach Houston zurückkommen konnten?
Aber das Raumfahrtprogramm sei wichtiger als ein individuelles Leben, murmelte die Astronautengattin. Die Nachricht sprach sich also nicht herum, und die NASA schoß weiter ihre Blechbüchsen auf mächtigen, unberechenbaren Feuerwerkskörpern in die Höhe. Endlich aber bemerkte die Frau, daß sie ihren Gast beunruhigte, und fügte hastig hinzu, daß zwei Explosionen in sechs Jahren eigentlich nicht so schrecklich viel seien. Außerdem beförderten sie das Shuttle seit zwei Jahren auf einem mächtigen Rückkehr-Triebwerk hinauf, was die abwerfbaren Außentanks und kolossale feststoffgetriebene Raketen überflüssig machte. Tatsächlich sei die Sicherheitsquote der NASA erstklassig, wenn man sie mit der Zahl der jährlichen Autounfälle verglich … zumindest wenn man die Zeit vor dem Erlaß der Internen Reisebeschränkungsgesetze dabei in Betracht zog.
Am Morgen des Starts traf Lia in einer schlachtschiffgrauen Vorkammer in der Nähe der Startrampe auf Cal. Sie legte ihm die Hände auf die Brust unter dem Overall und nestelte an dem winzigen Zuggriff eines der Reißverschlüsse. Aber warum schicken sie dich? fragte sie sich. Warum dich und nicht irgendeinen anderen genauso oder sogar besser qualifizierten Meerschweinwärter?
»Keine Sorge, Lia. Gott wird nicht zulassen, daß sechs unschuldigen Breschnew-Bären etwas zustößt.«
»Vom Präsidenten der Vereinigten Staaten ganz zu schweigen.«
Cal legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Sschh.«
Berthelot hatte gesagt, Nixon werde mit derselben Mission nach Censorinus fliegen – vom Cape mit dem Schwerlast-Shuttle Clemency hinauf und von Kennedy Port in den Mondorbit mit dem erst vor kurzem in Dienst gestellten Transferschiff Checkers. Aber King Richard hatte an keiner von Cals Trainingskursen teilgenommen, und Lia glaubte, daß er überhaupt nicht nach Houston gefahren war, um sich dort vorzubereiten. Am Morgen aber hatte David Eisenhower in Today verkündet, daß sein Schwiegervater tatsächlich die Absicht habe, als erstes Staatsoberhaupt der Welt den Mond zu besuchen, und sowohl Cal als auch Lia spürten, daß knapp außerhalb ihres Gesichtskreises verstohlen etwas Großartiges im Gange war. Aber sie hatten nichts gesehen, was diesen Verdacht bestätigt hatte, und niemand redete.
»Das ganze Land hat vorhin erfahren, daß der Präsident jetzt Astronaut wird. Wieso muß ich da still sein?«
»Vielleicht ist er so nah bei uns, daß er dich hören kann«, sagte Cal.
»Unmöglich. Ich habe keine Gänsehaut. Übrigens hast du recht – Gott wird euch wahrscheinlich eher um der beiden trächtigen Schweinchen willen beschützen als wegen des Dreckskerls, der Viking hat umbringen lassen.«
»Sschh!«
»Gott hat vielleicht außerdem Wohlgefallen an der Tatsache, daß ihr einen Episkopalbischof habt, der euch alle begleitet.«
Das stimmte, und es war einer der vielen seltsamen Aspekte einer höchst seltsamen Mission. Bischof. Joshua Marlin von der Diözese Georgia der Protestantischen Episkopalkirche, der persönliche Freund und Beichtvater Hiram Berthelots, hatte mit Cal in Houston trainiert – er
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