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Dieser Mann ist leider tot

Dieser Mann ist leider tot

Titel: Dieser Mann ist leider tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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hatte sich kalisthenischen Übungen, dem Jogging und den schwindelerregenden Folterungen des ›Oktopusarms‹ – wie er und Cal diese Maschine getauft hatten – unterzogen, um sich auf den Flug vorzubereiten. Und für einen rotgesichtigen Fünfzigjährigen von beträchtlicher Leibesfülle und zweifelhaftem Sehvermögen hatte Marlin sich bemerkenswert gut aus der Affäre gezogen. Lia hatte – zusammen mit Cal – dreimal mit dem Bischof zu Mittag gegessen, und es tröstete sie zu wissen, daß er auf dem Besatzungssessel neben dem ihres Mannes sitzen würde, erst an Bord der Clemency und nachher in der Checkers.
    Cal sagte: »Bischof Marlin hat diesen Flug gesegnet, und jeden, der dabei ist – Colonel Hudner, Major Levack, sogar den Geheimdienstkerl, der es nur zu jeder dritten Trainingsstunde in Houston geschafft hat. Marlin scherzt auch mit uns. Nennt es die 4-P-Mission.«
    Lia wartete, daß Cal es ihr erklärte. »Pflanzen, Priester, Präsident und Pummeltiere. Und auf geht’s, die Dämonen der Verzweiflung gnädig zu stimmen.«
    »Und was noch? Du verschweigst mir etwas.« Denn Lia wußte, daß die Unruhe vor dem Flug nicht die ganze Erklärung für Cals Zurückhaltung war.
    »Ich weiß nicht. Nichts, wovon ich reden könnte.«
    »Das hier passiert wegen Kai, nicht wahr? Weil er diese Realität mit einer besseren auslöschen will.« Kaum hatte Lia diese Worte ausgesprochen und damit zum erstenmal benannt, was sie beide intuitiv spürten, seit sie von Georgia ins NASA-Hauptquartier gefahren waren, da senkte sich ein leises, aber beharrliches Grauen in ihr Herz. Sie klammerte sich an Cal und drückte ihn an sich. Aber das Grauen bebte weiter und immer weiter.
    »Es wird klappen«, wisperte er.
    »Das sagst du. Aber hinterher – wird einer von uns eine Ahnung von dem haben, was wir getan haben? Und wenn, was immer ihr tun werdet, nicht funktioniert, dann ist dies vielleicht das letztemal, daß wir uns je in den Armen halten werden.«
    »Pssch!«
    »Zum Teufel mit dem Kerl! Und mit seiner Amnesie und seiner Stereographie und all seiner unruhestiftenden unveröffentlichten SF!«
    »Pssssch!«
    Lia löste sich von Cal. »Und mit dir auch, was das angeht, denn du warst die ›Linse‹, die ihn in Warm Springs fokussiert hat!«
    »Es wäre auch ohne mich passiert, Lia. Auf die eine oder andere Art wäre es auch ohne mich passiert.«
    Sein Fatalismus und seine Gewißheit versetzten sie in Rage. Sie wollte die Faust ballen und wieder und wieder an seine Brust hämmern – damit er vielleicht ein Zehntel des aus dem Grauen gewachsenen Schmerzes spüren könnte, der sie schüttelte, derweil sie sich bemühte, ihm achtbar Auf Wiedersehen zu sagen. Aber »Auf Wiedersehen« wann? Es war ja möglich, daß Philip K. Dick, Bischof Marlin und ihre noch unbekannten Bundesgenossen in Von Braunville den Stoff dieses historischen Kontinuums so gewaltsam zerreißen würden, daß es niemandem, der darin eingehüllt war, je noch einmal als etwas anderes denn als Leichentuch dienen würde.
    Und Cal versuchte, sie zum Schweigen zu bringen!
    »Wenn du mich wirklich liebtest«, sagte sie, »würdest du nicht diesem größenwahnsinnigen Traum hinterherstürmen.«
    »Wenn du mich liebtest, wüßtest du, daß nichts Größenwahnsinniges daran ist. Ich habe eine Scheißangst, Lia. Aber was soll ich machen? Da rausgehen und zu Colonel Hudner sagen: ›Hey, Mann, ich muß nach Hause und die Sickergrubenpumpe reparieren. Wir sehen uns auf dem nächsten Trip‹?«
    »Was wird passieren, Cal? Wann werden wir uns wiedersehen? Und wo? Und werden wir uns überhaupt wiedersehen?«
    »Das weiß Gott, Lia. Gott oder der Demiurg.«
    Okay, überlegte sie. Es ist unvermeidlich. Er hat für diese Reise trainiert, und er fliegt, und es wäre weibliche Destruktivität der schlimmsten Sorte, wenn ich jetzt alles aus den Gleisen brächte, indem ich ihn zwinge, zu bleiben. Ein Biest von Ehefrau. Eine Elefantin im Porzellanladen der realitätsreformierenden Verschwörung von Kai, Cal und ihrem anmaßenden minderklassigen Demiurgen. Deshalb fliegt statt dessen noch ein Bischof mit, und deshalb muß ich aufhören, Cal zu nerven, und ihm lieber meinen eigenen matten Segen mitgeben …
    Lia trat zurück und öffnete mit zitternden Fingern den Verschluß der Brosche an ihrer Bluse. Dann ließ sie den kleinen Intaglio-Fisch in eine Tasche an Cals NASA-Overall fallen.
    »Behalte das bei dir«, sagte sie. »Immer.«
    Sie küßten sich, und sie konnte sich an keinen

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