Dieser Mann ist leider tot
Bekämpfung der Papageienkrankheit genügen, und so weiter.«
»Mr. Kemmings, sie hat sich die Sittiche nicht mal angeschaut. Oder die Makaos. Oder sonst irgendwelche Vögel. Ihr Besuch hatte mit Papageienkrankheit nichts zu tun.«
»Vielleicht nicht. Wenn es eine offizielle Überprüfung war, und wenn wir dabei durchgefallen sind, dann werden wir es beizeiten erfahren, und so lange können wir nichts tun.«
»Ja, Sir.«
»Ich werde jetzt ›Meinen besten Quetscher‹ füttern. Es ist zwei Tage her, daß er etwas gefressen hat, und er bewegt sich schon wieder.«
Cal fragte sich, wie dieser reizende alte Knabe es ertragen konnte, der Boa constrictor des ›Pet Emporium‹ dabei zuzuschauen, wie sie die niedlichen weißen Mäuse, von denen sie sich ernährte, in ihren langgestreckten Kropf stopfte. Sie fraß sie natürlich lebendig, und die paranoide Unruhe, die er und Mr. K. im Kielwasser der Besucherin verspürten, war kaum zu vergleichen mit dem Entsetzen der Mäuse, die Mr. K. jetzt zum Quetscher in den Käfig setzte. Cal schloß die Augen und ballte die Fäuste.
»Ich wünschte, Sie würden damit warten, bis ich Pause habe«, sagte er.
»Vermutlich könnte ich das«, räumte Mr. K. ein. »Aber ob Sie nun hier sind oder anderswo, es passiert doch immer das gleiche.«
Mr. Kemmings war schon dabei, das erste der zum Schlangenopfer auserkorenen Tiere aus seinem Käfig zu heben, eine rosaäugige kleine Maus, deren Fell die Farbe eines Seehundbabys hatte. In einer Blitzvision sah Cal seinen Boss in Karibu-Lederstiefeln und Kapuzenparka, wie er einem dieser tauäugigen kleinen Seehunde einen Baseballschläger über den Schädel hieb. Die Mutter kläffte derweilen protestierend, und Blutschwälle von dieser und von benachbarten Knüppeleien färbten das Eis rosenrot. So lebendig war diese Vorstellung, daß arktische Kälte durch den Laden wehte, Cals Knochen blankscheuerte und seine Knöchel weiß werden ließ.
Beruhige dich! dachte er. Heute, Calvin, steht wirklich keine deiner Reaktionen in einem vernünftigen Verhältnis zu ihrem Auslöser. Er öffnete die Fäuste und versuchte, die Anspannung aus den Fingern zu schütteln.
Mr. Kemmings würde niemals einen Seehund erschlagen. Als junger Mann (das hatte Cal aus einigen Erinnerungen erfahren, von denen der Boss beiläufig gesprochen hatte) hatte Mr. K. eine kleine Fabrik in Pine Mountain aufgemacht – das war am Ende des Zweiten Weltkriegs gewesen, in dem er eines Herzleidens wegen nicht hatte dienen können –; er hatte handgestrickte Argyle-Socken hergestellt und dazu acht bis zwölf Einheimische beschäftigt. Das Unternehmen hatte geblüht, bis ein Mann in Athens, Georgia, ein automatisches Verfahren zur Herstellung der Strümpfe erfunden hatte und Mr. K.s Arbeiter dem Ausstoß ihres Konkurrenten nicht entsprechen konnten. So war die Fabrik in Pine Mountain 1956 oder 1957 geschlossen worden.
»Was mir dabei gegen den Strich ging«, erzählte er Cal, »war nicht, daß einer, der schlauer war als ich, mich fertigmachte, sondern daß ich all die guten Leute, die auf die Arbeit bei mir angewiesen waren, gehen lassen mußte.«
»Was haben sie gemacht?«
»Sie haben sich anderswo umgesehen. Ich auch. Und ich bekam schließlich einen Job in der Verwaltung irgendwelcher Sozialprogramme hier in Troup County – von ’58 bis ’76 –, und so hatten wir weiter unser Essen auf dem Tisch. Ich hätte mich für dreißig Jahre verpflichten und eine noch bessere Pension beziehen können, aber als Nixon zum drittenmal gewählt wurde, zog ich es vor, frühzeitig aus meiner Regierungsvorstellung in den Ruhestand zu gehen. Es war reines Glück, daß ich einen Franchise-Vertrag von ›Happy Puppy‹ bekam, als sie West Georgia Commons bauten, aber ich bin froh, daß es geklappt hat.«
Damit du Seehundbabies – ich meine, weiße Mäuse – an ›Meinen besten Quetscher‹ verkaufen kannst, dachte Cal. Aber das war unfair. Wie konnte man an jemandem herumnörgeln, der so besorgt um andere Leute war und der in der Tierhandlung jeden Tag ein anderes Paar der in seiner längst stillgelegten Fabrik gefertigten Argyle-Socken trug? Es waren pointiert unmoderne Socken, aber so liebevoll gestrickt, daß man sie noch drei Jahrzehnte nach der Herstellung zur Arbeit tragen konnte.
Jetzt setzte Mr. Kemmings die Maus in ›Mein bester Quetschers‹ Glasgefängnis. Cal wollte sich wieder den Meerschweinchen zuwenden, aber sein Chef hielt ihn fest. Cal blickte aus den Augenwinkeln auf
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